#Aufmerksamkeit

Köpfe voll – Kasse leer

von , 20.6.14

Die Frage ist: Warum bekommen deutsche Internetaktivisten zu wenig finanzielle Unterstützung?

Die Bekassine, der Vogel des Jahres 2013, wird auch „Meckervogel“ genannt, nicht, weil er sich über die permanente Zerstörung seines Lebensraumes beschwert, sondern weil das Meckern zu seinen typischen Balzgeräuschen gehört. Anscheinend lockt das Meckern nicht nur Weibchen an, sondern auch spendable Vogelschützer, denn über 75.000 ehrenamtliche Helfer kümmern sich darum, dass der Lebensraum des Vogels erhalten bleibt.
 

 
Der Netzaktivist und Internetberater Sascha Lobo hat auf der diesjährigen re:publica in seiner „Rede zur Lage der Nation“ die Bekassine als Beispiel dafür angeführt, dass die Eltern der Netzgemeinde etwas können, was die Kinder der Kostenlosgesellschaft anscheinend verlernt haben: sich finanziell für etwas einsetzen, was ihnen am Herzen liegt. Das Ganze kulminierte in der Anklage: „Ihr twittert, aber ihr überweist nicht.“

Sascha Lobo übertreibt gern ein wenig. Natürlich wird auch für netzpolitische Aktivitäten und Organisationen gespendet. Aber in dem vergleichsweise geringen Spendenvolumen, das auch unsere Recherche ergeben hat, drückt sich etwas anderes aus: unsere Unfähigkeit, die Bedrohung und die bereits eingesetzte Zerstörung des digitalen Lebensraumes sichtbar zu machen. Denn die Empörung über die NSA-Affäre ist nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

 

Wo liegt das Problem?

Wolfgang Michal geht in seinem Artikel in der FAZ sogar noch einen Schritt weiter. Er behauptet, dass Edward Snowden gar nichts enthüllt habe, da die Enthüllungen frei von Inhalten gewesen seien und es sich nur um Metainformationen, um Zahlen-Hülsen handele, die aber nicht zu einer Emotionalisierung der Debatte führen würden.

Michal zitiert dabei auch die Netzaktivistin Anne Roth, die in ihrer Analyse die Lethargie gegenüber der NSA-Affäre auf das Ohnmachtsgefühl gegenüber einem übermächtigen Gegner, auf die Genügsamkeit der Protestierenden, aber auch auf deren Zersplitterung und auf Eitelkeiten untereinander zurückführt.

Und hier sind wir wieder beim Thema Geld.

Die Netzaktivisten haben eine Menge Ideen im Kopf, aber sie konkurrieren auch um die begrenzten ökonomischen Mittel. Lobo hat deswegen Recht, wenn er fordert, dass wir für eine andere Netzkultur, für mehr Bürgerrechte im Internet mehr Geld, also Spenden benötigen.

Nur müssen sich die Netzaktivisten auch kritisch fragen lassen, ob sie bei der Spendenakquise alles richtig machen. Sind die Kampagnen einfach und klar, die Ziele verständlich, ziehen alle Organisationen an einem Strang, und – das ist die entscheidende Frage – wissen die Spender genau, was mit ihrem Geld passiert, sind also die Ausgaben transparent dargelegt?

 

Mit guten Geschichten und langem Atem!

In der NSA-Affäre wird das ungenaue Ziel vieler Kampagnen leider genau deutlich: Es gibt zu wenige Geschichten, keine tatsächliche Konsequenz aus dieser Affäre. Dem einen oder anderen Aktivisten wurde die Einreise in die USA verwehrt. Okay. Aber es ist (noch) nicht fassbar, wie wir uns verändern, wie wir Gedanken nicht mehr schreiben, weil wir uns zensieren, und sie irgendwann auch nicht mehr denken. Diese Geschichten können aber geschrieben werden, sie brauchen nur einen langen Atem, sie brauchen großzügige Budgets und Journalisten mit Mut, die diesen Weg gehen wollen.

Die Bekassine hat es da einfacher. Es ist sichtbar, wie ihr Lebensraum zerstört wird, und dass immer weniger Exemplare der Spezies zu finden sind. Sie ist ein schutzloser Vogel, den wir Menschen bedrohen. Dass es schwieriger ist, Emotionen zu wecken, wenn wir uns gegenseitig bedrohen, einsperren, foltern oder töten, dies erleben viele Menschen auf dieser Welt leider tagtäglich.
 
Crosspost von Politik Digital. Der Text steht unter einer CC BY-SA 2.0-Lizenz.

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