#Airbus

An Politiker, die einen europäischen Internetgroßkonzern fordern

von , 4.6.14

In den Debatten um Google, Facebook, die NSA, Spionage und Schlandnet kann man immer wieder erleben, dass irgendein Politiker fordert (es sind immer Männer, ich habe sowas noch nicht von Politikerinnen gehört*), es müsse einen europäischen Internetgroßkonzern geben, der den Silicon-Valley-Größen Paroli bieten kann.

Da ich bei solchen Forderungen in den Medien nie sehe, dass diesen Leuten erklärt wird, warum das eine komplette Schnapsidee ist, schreibe ich das hier mal auf. Vielleicht finden deren Assistenten oder Referenten – oder wie die Menschen heißen, die für Politiker die Recherche übernehmen – diesen Text ja zufällig und geben das bei Gelegenheit mal weiter.

Es gibt aus meiner Sicht nur einen Grund, warum Politiker meinen, dass eine solche Forderung inhaltlich Sinn haben könnte. Sie denken bei dem Thema offenbar an ein Vorbild, das wir alle kennen, nämlich ehemals EADS / heute Airbus. Für alle Politiker, die im Stil von “Den Amerikanern haben wir’s mit Boeing doch auch gezeigt, das sollte jetzt mit Google & Facebook ja wohl auch zu machen sein” unterwegs sind, schreibe ich die folgenden Zeilen.

Die Analogie zu Airbus ist aus drei Gründen ein Irrtum.

 

Ein Konzern von Politikern für Politiker

Der erste Irrtum entsteht aus der besonderen Rolle dieses Konzerns — der größte Geldbringer für Airbus ist der Bau und Vertrieb von zivilen und militärischen Flugzeugen, hinzu kommen der Bau und Verkauf von weiterem Militärgerät.

Militärische Flugzeuge und Geräte werden fast ausnahmslos von Regierungen gekauft, also ebenfalls von Politikern. Zivile Fluggeräte werden zwar überwiegend von privaten Fluggesellschaften gekauft, aber viele von ihnen waren früher Staatsbetriebe und sind immer noch eng verzahnt mit regierungsnahen Kreisen.

Mit anderen Worten: Airbus ist unter anderem ein politisch geschaffener Erfolg, weil das Projekt von Politikern betrieben wurde, um Politiker zu bedienen. Bei Airbus bleiben diejenigen, die so einen Konzern politisch wollen, und diejenigen, die für die Leistungen dieses Konzerns bezahlen, unter sich. Daher kann man sich aus der Politik heraus den Konzern auch sehr schön so gestalten, dass er für die Politik — als Kunde — funktioniert.

 
Milliarden schaffen “Milliardenstrukturen”

Zweitens ist das Geschäft mit Flugzeugen und Waffen strukturell ein ganz anderes. Man braucht unfassbare Investments in technische Entwicklung, die sich teilweise nur mit Milliardenunterstützung stemmen lassen. Bei solchen Milliardensummen kann man dann auch fette Strukturen bauen, die mit Stäben und Räten und Vorständen und Administration und Benefits und Firmenwagen und allem anderen funktionieren, was die Politik kennt und wohl irgendwie händeln kann.
 
n=1

Drittens ist die Inspiration Airbus trügerisch, weil das Unternehmen meines Wissens nach (?) das einzige politisch gewollte europaweite Konzernprojekt ist, das überhaupt funktioniert. Und bei einer Stichprobe von n=1 sollte man ja bekanntlich immer sehr sehr vorsichtig sein.

Internetkonzerne dagegen werden nur groß, wenn sie drei ganz andere Voraussetzungen erfüllen:
 
Globales Consumer Marketing

Zunächst müssen sie bei Millionen Menschen in möglichst vielen Ländern auf der ganzen Welt gut ankommen. Und diese sind in der alles überwältigenden Mehrheit keine Politiker. Wie man ein Produkt an Millionen Menschen auf der ganzen Welt erfolgreich vermarktet, weiß kaum ein Politiker.
 
Entrepreneurship “von unten”

Zweitens entstehen sie nur dann, wenn Menschen, die die entsprechenden Talente besitzen – unterstützt von anderen Menschen, die über entsprechende Finanzmittel verfügen – aus eigener Initiative heraus so hart an dem Projekt arbeiten, wie sie es nur tun, wenn sie es als ihr ureigenes Projekt begreifen. Ein Projekt, welches sie mit enormer Energie, mit Schweiß, Erschöpfung und Tränen zu einem Erfolg führen können, der die Welt verändern kann und der dann ihr ganz eigener Erfolg ist.

Diese Projekte sind zwangsläufig immer eine Art Ego-Vehikel. Solche Gründer glauben daran, dass sie in einer Art Schicksalsgemeinschaft mit einigen anderen Verrückten (ja, Verrückte müssen sie schon sein) eine Sache schaffen, die vielleicht die Welt verändert — oder doch zumindest die Online-Welt, und auf dem Weg dahin hoffentlich auch das eigene Bankkonto.

Niemand verausgabt sich derartig für eine Sache, weil sie von der Politik als volkswirtschaftlich wünschenswert befunden und womöglich subventioniert wird. Wer Internetkonzerne baut, tut das, weil er sich großen Herausforderungen, dem globalen Wettbewerb und einem ganz eigenen Arbeitsumfeld stellen will – um dort einen ganz eigenen Erfolg zu erringen.

Das Allerletzte, was solche Leute wollen, ist, sich mit Politikern zu treffen, um darüber zu debattieren, warum denn noch immer nicht das deutsche Google entstanden ist.
 
Let a million flowers bloom

Und drittens sind sie eben nicht auf Milliardeninvestments in unglaubliche technische Entwicklung angewiesen, sondern diese Firmen entstehen dort, wo sich viele Millionen auf unzählige Beträge von $ 100.000 hier und $ 50.000 dort und 2 Millionen da drüben verteilen, damit überall kleine “Pflanzen” dieser Verrücktheit blühen, aus der dann immer mal wieder und mit viel Glück ein globaler Superkracher wird.

 
Erfolgreiche Internetkonzerne entstehen also nur von unten. (Wobei “unten” auch sehr relativ ist – aber relativ zur Politik eben doch unten.) Man kann niemanden zu dieser Art Arbeit “von oben” gewinnen. Für diese Arbeit gewinnen Menschen sich ausschließlich selbst.

Damit ist jeder Versuch, die Schaffung eines erfolgreichen europäischen Internetkonzerns politisch zu fordern, von vornherein und automatisch zum Scheitern verurteilt. Es wird nicht funktionieren.

Diese Regel ist so hart und gnadenlos, dass selbst die Medienkonzerne überall auf der Welt – von denen zumindest manche unternehmerischen Geist selbst auch noch ein wenig kennen sollten – eigentlich nie in der Lage waren, selbst Interneterfolge hinzubekommen. Wenn schon Medienhäuser zu schwerfällig sind, um erfolgreiche globale Internetfirmen zu bauen, wie kann die Politik dann glauben, das zu schaffen?

Der einzige Weg, den die Politik hier gehen kann, besteht darin, Umfelder zu entwickeln, in denen diese Verrückten arbeiten können und wollen, fürchte ich. Und anzuerkennen, dass die Amerikaner uns gegenüber dabei einen satten Vorsprung haben, denn sie haben vor 60 Jahren angefangen.

Zudem haben sie eine Kultur, die den rücksichtslosen Versuch, kapitalistisch und unternehmerisch größenwahnsinnig zu sein, noch weiter anfeuert und auch Scheitern nicht verachtet, sondern sogar bei Misserfolgen immer wieder eine Chance gibt.

Ich hoffe, es ist klar geworden, warum die Politik in diesem Zusammenhang getrost mit dem “Fordern” aufhören kann. Es verhallt ungehört und wirkungslos.
 
[* Nachtrag und Korrektur, Merkel selbst hat’s offenbar auch gefordert, damit also doch auch eine Politikerin.]
 
Crosspost von Omnipolis

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.