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Debatte um deutsches Importdefizit mit falschen Prioritäten?

von , 27.11.13

Vorletzte Woche hatte ich hier ein paar Gedanken zu der Diskussion um den deutschen Exportüberschuss aufgeschrieben, weil sich alle paar Monate die Diskussionen über die hohen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse wiederholen und nach ein paar Tagen wieder einschlafen.

Meist wird dabei auf die Exportstärke (und spiegelbildlich die deutsche Importschwäche) geschaut.
 

Beiträge im Blick Log zur Leistungsbilanzdefizitdebatte

 
Ich kann die Kritik an den deutschen Überschüssen verstehen und schüttele sogar mit Paul Krugman den Kopf darüber, wie Deutschland mit der Kritik aus den USA  und der EU umgeht. “Die Kritik ist nicht nachvollziehbar”, teilte laut Spiegel Online das Bundeswirtschaftsministerium mit: “Die Handelsüberschüsse Deutschlands seien Ausdruck der starken Wettbewerbsfähigkeit.”

Die Kritiker der deutschen Positionen übersehen aber meines Erachtens drei entscheidende Dinge:

  1. Die hohen Exportüberschüsse entstehen nicht durch einseitiges Tun von Akteuren in Deutschland.
  2. Einige der vorgeschlagenen/geforderten Maßnahmen sind entweder politisch oder praktisch nicht so einfach umsetzbar, wie sie gefordert werden, und
  3. bei einigen Maßnahmen fragt man sich, ob sie wirklich so wirken, wie sich dass die Ökonomietherapeuten vorstellen

Ein genereller Denkfehler vieler Kritiker – gern zitiert werden Nobelpreisträger, Chefökonomen internationaler Institutionen und bekannte Kolumnisten – liegt aber darin, wie Winand von Petersdorff im FAZit-Blog schrieb, dass sie Handelsüberschüsse als Ergebnis staatlicher Steuerung sehen, die vor allem über die Binnennachfrage beeinflusst werden könnten.

Die Kritiker übersehen außerdem, dass die Sparneigung der Deutschen aus individueller Sicht rational ist, wie der FAZit-Blog herausarbeitet:
 

“[…] deutsche Sparer geben sich der Hoffnung hin, durch aktuellen Konsumverzicht den späteren Konsum bezahlen zu können. Tatsächlich mögen sich gerade die deutschen Babyboomer denken, die schließlich von 2020 an in Rente gehen, dass Sparen als Konsumverzicht in Form privater Vorsorge dringend nötig ist, weil die Zahl der dann aktiven Werktätigen, die die gesetzliche Rente zu schultern haben, dramatisch schrumpft. Dieses Problem trifft Deutschland wegen seiner demographischen Struktur stärker als viele andere Länder. Damit ist die Sparentscheidung aber nicht, wie die Kritiker gerne verbreiten, dem deutschen Nationalcharakteristikum Geiz zu verdanken, sondern Folge ziemlich vernünftiger Überlegungen.”

 
Die EU will, dass Deutschland weniger Waren ins Ausland verkauft. Das für sich allein genommen, halte ich für eine blödsinnige Forderung, weil vollkommen offen ist, wie es durchgeführt werden soll. Zugegeben, was Olli Rehn fordert, ist etwas differenzierter gewesen. In der Summe fordert Rehn aber staatliche Eingriffe, etwa zur Förderung der Binnennachfrage oder Investitionen in die Infrastruktur.

Ich habe keine Fantasie, wie allein solche Maßnahmen die Defizite reduzieren sollen (zunächst gibt es ohnehin noch eine genaue Untersuchung). Krugman und andere Ökonomen schwenken an dieser Stelle meist von der theoriefreien Buchhaltungslogik der Zahlungsbilanz zu irgendwelchen theoretischen Modellen, wie solche Maßnahmen wirken. Ich halte das für Spekulation.

Krugman unterstellt Deutschland zwar nicht Böswilligkeit, doch “Deutschland aber nahm keinerlei Korrekturen vor”, kritisiert er, als sei es das Normalste der Welt, staatlich in den privaten Leistungsverkehr einzugreifen. Gleichwohl hat er Recht, wenn das Problem weiter besteht. Aber diese richtige Diagnose erhöht nicht die Kompetenz für die Therapie. Für richtig halte ich zwar seine Position, dass der Euro große Vorteile für deutsche Exporteure hat, die ihre Waren in einem (relativ) “schwachen Euro” in Rechnung stellen können, statt in einer andernfalls sicherlich enorm aufgewerteten deutschen Mark.

Doch mir ist seine Position zu einfach, wenn er fordert:
 

“Um einen europäischen Wirtschaftseinbruch zu verhindern, hätte es mehr ausgeben müssen, während seine Nachbarn gezwungenermaßen weniger ausgaben, und das hat Deutschland nicht getan.”

 
Noch einmal, mir ist das nicht deswegen zu einfach, weil es falsch ist, sondern weil es nicht per Verordnung umsetzbar ist. Wer sagt denn, dass die Bürger Produkte im Ausland kaufen, wenn sie mehr Geld in der Tasche haben? Vielleicht legen sie das Geld auch einfach nur im Ausland an, womit sie letztlich den Exportüberschuss weiter finanzieren.

Ich kann außerdem nichts mit dem Vorwurf anfangen, dass es Deutschlands “Schuld” sei, weil wir die gleiche Währung wie unsere Nachbarn haben. Diese Art des Argumentierens erschwert sachliche Debatten, denn der Euro und die für seine Einführung notwendigen Verträge zwischen den Euro-Ländern sind nun einmal Fakt und lassen sich aus vielerlei Gründen nicht einfach zurückdrehen.

Dennoch darf man zu den Nachteilen des Euro festhalten, was Acemaxx Analytics zu den deutschen Überschüssen schreibt:
 

“Normalerweise wäre das vielleicht kein grosses Ärgernis. Denn Deutschlands Überschüsse würden seine Währung aufwerten lassen, was den Überschuss verringern würde. Gleichzeitig könnte der Nachfrageausfall aus dem Ausland durch höhere Nachfrage im Inland ausgeglichen werden. Das findet aber nicht statt. Warum? Weil Deutschland keine eigene Währung zum Abwerten Aufwerten hat, sondern es hat die Gemeinschaftswährung, die es mit seinen Nachbarn in der EWU teilt.”

 
Aus der Buchhaltungslogik der Zahlungsbilanz kann man genau ablesen, was passieren muss, damit die Leistungsbilanzüberschüsse reduziert werden. Deutschland als gesamte Volkswirtschaft muss deutlich mehr Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland nachfragen, wenn es weiter so viel exportiert.

Wir sollten allein aus folgenden Gründen ein essentielles Interesse daran haben, das Importdefizit deutlich zu reduzieren:

  1. Bleiben auf Dauer die Überschüsse in der Leistungsbilanz bzw. insbesondere der Handelsbilanz, dann kommt irgendwann zwangsläufig der Zeitpunkt, dass “das Ausland” Teile seiner Schulden gegenüber Deutschland nicht mehr wird bezahlen können. Wir übersehen nämlich, dass wir uns bei aller Exportstärke in die Position eines immer schwächer werdenden Gläubigers hineinmanövrieren.
  2. In Deutschland hat offenbar die Investionsneigung abgenommen. (Ich schaue mir das in Ruhe in einem späteren Beitrag an, siehe bis dahin das Statement des Instituts der deutschen Wirtschaft.) An den Zinsen oder einer Zurückhaltung der Banken bei Kreditvergabe kann es in Deutschland nicht liegen. Aber vielleicht sonnen sich zu viele Unternehmen in den währungsbedingten Wettbewerbsvorteilen der letzten Jahre.

Die sehr hohen Auslandsguthaben – aka Schulden ausländischer Unternehmen und Staaten bei deutschen Gläubigern – haben uns bereits in den letzten Jahre Kopfschmerzen bereitet. Wenn die Investitionsneigung tatsächlich zu niedrig ist oder gar weiter zurückgeht, dann wird uns das in ein paar Jahren alle treffen.

Im Prinzip müsste Deutschland für ein paar Jahre wieder ein Defizitland werden. Diese Zeiten gab es einmal. Daran erinnert Acemaxx Analytics und verweist auf die 1990er-Jahre. Aber selbst, wenn Deutschland gar nichts tut, die oben genannten Punkte 1. und 2. werden irgendwann zu einer Umkehr führen. Freilich wird uns diese Form der Umkehrung nicht schmecken.

 
Siehe auch

 

Weitere Beiträge zur Debatte über das Importdefizit

Crosspost vom Blick Log

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