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Ob Jeff Bezos eine Apfelbaumplantage kauft?

von , 6.8.13

Bezos investiert in die Post als Privatmann und nicht in seiner Funktion als Alleinherrscher bei Amazon. Er legt Wert auf diese Trennung. So kann er nämlich die Übernahme einer der wichtigen Zeitungen im Washingtoner Politiksystem gewissermassen als sein Hobby oder gar als philantropische Tat verkaufen.

So sehen auch die bisherigen Reaktionen von Netzjournalisten aus. Ulrike Langer hofft tatsächlich auf eine Angleichung der Post an das Amazon-Modell. Was die Integration der Post in das Amazon-Modell medienpolitisch bedeuten könnte? Diese Frage stellt sie sich nicht. Soweit reicht offenbar der Horizont an der amerikanischen Westküste nicht mehr. Karsten Lohmeyer sieht ebenfalls in der Marktmacht von Amazon die Rettung für die Post – und gar der Zeitungen.

Geht’s noch? Bezos macht mit der Übernahme offenkundig einen weiteren Schritt im Kampf um die Kontrolle über digitale Wertschöpfungsketten – und Journalisten verlieren darüber keinen einzigen kritischen Ton. Es ist noch nicht einmal ein kritischer Gedanke zu finden.

Besonders peinlich ist aber Christoph Keese. Er ist der Außenbeauftragte des Springer-Konzerns. In seinem Blog hat er jenen kritischen Gedanken formuliert, der sich, wohl abgewogen, so anhört:
 

“Bei allem Respekt aber darf man davon ausgehen, dass sich die Washington Post die längste Zeit kritisch mit den enorm hohen Aktienkursen von Amazon, der Machtfülle dieses Online-Händlers oder den Produkteigenschaften des Kindle auseinander gesetzt hat. Bei diesen Themen ist die Redaktion künftig befangen, so wie Les Echos oder El Pais bei den Industrie-Interessen ihrer neuen Eigentümer befangen sind.”

 
Nun wird aber Keese auf dem falschen Fuß erwischt. Denn Springer ersetzt bekanntlich seine Zeitungen durch jenes Modell der Kontrolle über digitale Wertschöpfungsketten, die Amazon und Google erst zu dem gemacht haben, was sie heute sind. Die Verlegerfamilie der “Washington Post” hatte ja auch schon längst diversifiziert. Sie haben nur schlicht – im Gegensatz zu Springer – das Interesse an Zeitungen verloren. Das Interesse von Springer an Zeitungen hat natürlich etwas mit der Rentabilität der “Bild” zu tun. So ist dieser Satz von der “Figur des Verlegers, der keine anderen wirtschaftlichen Interessen hat als seine eigenen Medien” und die durch “nichts zu ersetzen” sei, nicht ohne Ironie. Eine amerikanische “Bild”, so ist zu vermuten, hätten die Grahams wohl nicht tränenreich verkauft, sondern doch lieber behalten.

Nun muss man von Journalisten nicht erwarten, dass ihnen die Grundlagen des Ordoliberalismus mit seiner Kernthese von der Monopolkontrolle geläufig sind. Der ist schon längst vergessen. Besonders pikant wird es aber, wenn selbst Ökonomen mit Sitz in der Monopolkommission davon keine Ahnung haben. Justus Haucap ist einer der Kritiker des Leistungsschutzrechts. Dagegen ist erst einmal nichts zu sagen. Nur: welche ordoliberalen Geister haben Haucap eigentlich verlassen, als er folgende Sätze dem “Horizont” in einem Interview diktierte? Er antwortete auf die Frage, ob denn das Ziel der Verlage, bei Google etwas abzuschöpfen, so nicht funktioniere. Haucaps Antwort lässt tief blicken:
 

“Das ist richtig. Ich vermute, dass es auch in Zukunft nicht funktionieren wird. Google ist weniger auf die einzelnen Verlage angewiesen, als die Verlage auf Google. Wenn die Verlage zu Google sagen Gib mir Geld, sonst lass ich mich auslisten , wäre mein Verdacht, dass Google antwortet: Ok, dann listen wir Dich aus. Das kommt mir so ein bisschen vor, als würde ein kleiner Obstbauer zu Edeka sagen, Wenn ihr mir nicht mehr bezahlt, dann dürft ihr mich nicht mehr im Regal führen. Da würde Edeka auch sagen, Na gut, dann fliegst du halt raus.”

 
Nun gibt es im deutschen Einzelhandel den Wettbewerb, den es im digitalen Markt nicht mehr gibt. Google und Amazon beherrschen ihre Marktsegmente. Das von Haucap erwähnte Rivva ist nichts anderes als der schon lange untergegangene kleine Edeka-Einzelhändler von früher. Unser Ökonom sieht dort tatsächlich den Wettbewerber von Google? Soll das ein Witz sein? So haben wir heute Mitglieder in der altehrwürdigen Monopolkommission, die kein Monopol erkennen, selbst wenn es ihnen vor die Füße fallen sollte.

Aber wer weiß? Vielleicht kauft Bezos morgen im Alten Land Apfelbaumplantagen. Wenn Haucap Glück hat, darf er das gutachterlich betreuen. Dem Wettbewerb auf dem Apfelmarkt, so ist anzunehmen, droht allerdings keine Gefahr.
 

Update

Thomas Knüwer hat sich nun auch zu der Übernahme der Washington Post geäußert.
 

“Da will ein Milliardär den Journalismus retten, der hinter der Zeitung steckt.”

 
Nun weiß ich nicht, woher Knüwer weiß, was Bezos will. Ob er ihn kennt? Hat ihn Knüwer interviewt? Selbst dann wüsste ich noch nicht, was jemand tatsächlich will, sondern nur das, was er mir so erzählt. Und weiter:
 

Tatsächlich aber machen sie sich (die Verlage) rasend viel Gedanken darüber, wie sie Inhalte verkaufen können – statt über der Frage zu brüten, welche Inhalte sich über Werbung und Bezahlung refinanzieren lassen.

 
Völlig richtig. Verlage müssen sich dafür interessieren, wie sie im Markt Geld verdienen können. Nur haben solche Geschäftsmodelle nicht unbedingt etwas mit Journalismus zu tun. Aber immerhin wissen wir ja jetzt, was Thomas Knüwer über den Willen von Bezos denkt.
 
Crosspost von Wiesaussieht

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