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Piratenpartei angezählt: Wie geht es weiter?

von , 15.5.13

Was tun, wenn man am Boden liegt und angezählt ist? Liegen bleiben oder weiterkämpfen?

Vielen von uns, die wegen des Versprechens gesellschaftlicher Mitgestaltung in die Piratenpartei eingetreten sind, scheint die erste Möglichkeit derzeit sehr attraktiv. Welchen Sinn sollte es haben, eine „Mitmachpartei“ von der Idee des Mitmachens zu überzeugen, wenn die es nun einmal nicht will?

Dagegen spricht, dass es in der Piratenpartei eine Mehrheit für eine ständige Mitgliederversammlung zu geben scheint. Immerhin verfehlte die entscheidende Abstimmung die zur Einführung notwendige Zweidrittelmehrheit nur um zwei Prozent (wobei man diesen Wert nicht zu ernst nehmen sollte, da auf den Parteitagen der Piratenpartei ja durch das Fehlen eines Delegiertensystems keine repräsentative Stichprobe der Mitglieder möglich ist).

Außerdem steht das Thema der Online-Mitbestimmung seit Sonntag unübersehbar auf der Agenda der Piratenpartei. Es lässt sich nicht mehr wegdiskutieren, es lässt sich nicht mehr durch Geschäftsordnungsanträge von der Tagesordnung des nächsten Parteitags fernhalten.

Mit anderen Worten: Der Zeitpunkt für die Umsetzung dieses radikalen Werkzeugs einer neuen Form der Demokratie war nie so gut wie jetzt.

Wir Befürworter/innen einer ständigen Mitgliederversammlung sollten uns deshalb bis zum nächsten Parteitag darauf konzentrieren, Bildungsarbeit bezüglich der Liquid Democracy und ihrer möglichen Umsetzung innerhalb der Piratenpartei zu betreiben. Dabei sollten wir natürlich versuchen, die Unentschlossenen oder Uninformierten innerhalb der Partei zu erreichen. Die gefestigten Gegner/innen sollten wir ignorieren, wir werden sie durch nichts überzeugen.

Vor allem aber sollten wir diejenigen außerhalb der Partei ansprechen, die entweder schon jetzt mit der Online-Mitbestimmung in Form der Liquid Democracy sympathisieren, oder die noch nie davon gehört haben.

Diese Menschen sollten wir dafür gewinnen, uns bei der Umsetzung zu unterstützen. Zum Beispiel, indem sie in die Partei eintreten – oder, wie Enno Park, wieder eintreten -, und auf dem nächsten Parteitag für eine ständige Mitgliederversammlung stimmen.

Oder, indem sie deutlich machen, dass sie eine Partei wählen würden, die eine ständige Mitgliederversammlung hat. Oder, indem sie ihre Bereitschaft signalisieren, für eine Umsetzung außerhalb der Piratenpartei zur Verfügung zu stehen, wenn es innerhalb der Partei nicht möglich sein sollte.

Leisten wir also bis zum nächsten Parteitag Ende des Jahres Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit zum Thema Mitbestimmung und Liquid Democracy. Versuchen wir, sie auf diesem Parteitag in die Satzung der Piratenpartei zu schreiben.

Damit löst sich, nebenbei, auch ein Dilemma, in dem sich viele der Befürworter/innen der ständigen Mitgliederversammlung befinden: Für eine Piratenpartei ohne echte Mitgestaltungsmöglichkeiten wollen viele von uns nur ungern in den Wahlkampf ziehen, aber tatenlos zusehen wollen wir auch nicht. Indem wir für die Partei werben, zu der wir die Piratenpartei endlich machen wollen, brauchen wir keins von beidem zu tun.

Wir stellen klar, dass die Piratenpartei diese Partei derzeit nicht ist, aber dass die Chancen gut stehen, dass sie es wird. Dann überlassen wir es den Wähler/innen, ob sie unsere Chancen zur Umsetzung der ständigen Mitgliederversammlung für so realistisch halten, dass sie die Partei, quasi als Vertrauensvorschuss, im September schon wählen, oder lieber abwarten.

Aber wir sollten uns selbst und anderen auch deutlich machen, dass dieser Parteitag für uns der letzte Versuch sein wird, die Piratenpartei dazu zu bewegen, ihr Versprechen breiter gesellschaftlicher Mitgestaltungsmöglichkeiten einzulösen. Wir sollten einen Plan B haben, falls wir damit scheitern. Dieser Plan B kann realistischerweise nur in der Gründung einer neuen Partei bestehen, die sich die Online-Mitbestimmung nach dem Prinzip der Liquid Democracy von Anfang an in die Satzung schreibt (angedacht z.B. hier/hier und hier).

Schließlich geht es nicht um die Piratenpartei, es geht darum, wie wir in Zukunft leben wollen.
 
Crosspost von Ephemera

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