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Camerons Europarede: The Good, the Bad and the Ugly

von , 25.1.13

Am Mittwoch hat der britische Premier seine lang erwartete Europarede gehalten. Er kündete an, EU-Verträge neu auszuhandeln und nach einer allfälligen Wiederwahl der Stimmbevölkerung die “drinnen bleiben”- oder “raus”-Frage in einem Referendum vorzulegen. Ein guter Schachzug, meinen einige. Ein kaum berechenbares Pokerspiel andere. Grund genug, den Vorstoß hier zu diskutieren. Es folgt ein kleiner Überblick als Starthilfe:
 

The Good

Ein Referendum über neu auszuhandelnde Verträge wird Cameron liefern, was er braucht: Erstens sind Referenda in der Regel populär. Wer will schon nicht direkt mitreden? Da es nach den Wahlen stattfinden soll, hofft er so natürlich, auch gleich das Wahlkampfthema zu setzen und ein gutes Argument für sich zu liefern. Zweitens hat seine Partei eine lange, eine sehr lange Tradition in Euroskepsis. Mit diesem Vorschlag stellt er einige Hinterbänkler der Konservativen Partei ruhig. Drittens zwingt er so die anderen EU Mitglieder fast in eine Neuverhandlung. Sie müssen wohl oder übel gute Miene zum bösen Spiel machen, da Ignorieren oder gar direkte Ablehnung eher schwierig sind. Viertens gibt er sich mit dem Referendum auch gleich ein wichtiges Argument für die Verhandlungen in die Hand.

Nun kann er immer in Anspruch nehmen, dass die Britische Regierung natürlich gerne Flexibiliät und mehr Kompromissbereitschaft zeigen würde, dies aber in Anbetracht des kommenden Referendums halt einfach nicht möglich sei, weil ein solches Zugeständnis der Bevölkerung nicht schmackhaft gemacht werden könne. In der Schweiz gehört dieses Argument zum Standardrepertoire in Verhandlungen. Es ist das Äquivalent zu sich mit Handschellen an Schienen zu ketten und den Schlüssel wegzuwerfen. Selbst wenn man weggehen will, kann man nicht.

 

The Bad

Cameron ist nur bedingt innovativ als böser britischer EU-Bube. Diese Form von Druckausübung und der Wunsch nach einem Sonderstatus in der Europäischen Union durch Großbritannien kann auf eine lange Tradition zurückblicken, die dann auch immer wieder von Pragmatismus aufgeweicht wurde.  Als nach dem zweiten Weltkrieg sich die EG Gründerstaaten zusammen fanden, stand das Vereinigte Königreich abseits. Man kreierte im Handelsbereich mit dem Europäischen Freihandelsabkommen (EFTA) sogar ein Gegenprojekt. Die Briten traten dann nach drei Beitrittsanträgen und Französischen Blockierungen 1970 doch bei.

1984 hat die damalige Premierministerin Thatcher eine Sonderbehandlung in Form eines Rabatts für die Briten durchgesetzt, was die Landwirtschaftsunterstützungsgelder betrifft. Großbritannien ist nicht Mitglied des Schengener Abkommens und zeigt keine Absichten, das Pfund durch den Euro zu ersetzen (was übrigens die französischen Reaktionen auf die Rede, es dürfe keine “EU à la carte” geben, etwas hohl erscheinen lässt). Um eine britische Sonderbehandlung geht es am Ende auch, und nicht um ein europäisches Reformprojekt. Zumindest trifft dies sicher auf die Hinterbänkler zu, denen Cameron mit seinem Vorstoss entgegenkommen möchte.

 

The Ugly

Hier geht es um das Element des Pokerspiels in Camerons Vorschlag. Außenpolitik per Referenda ist eine gefährliche Angelegenheit. Auch davon kann die Schweiz ein Lied singen. Volksentscheide sind immer auch unberechenbar, können langfristige Planung und die besten Strategien über den Haufen werfen. Gerade die EU ist ein sehr emotionales Thema, und darum wird vermutlich eher über vermeintliche Bananenkrümmungsregulierungen und Haggisverbote abgestimmt, als über tatsächliche Probleme, grundlegende Fragen zur europäischen Einigung und neu ausgehandelte Verträge.

Cameron hat eine Dynamik in Gang gesetzt, die er nun nicht mehr kontrolliert. Die Stärke (siehe “viertens” unter “The good”) kann ebenso zur Schwäche werden. Auch die Reaktion der Verhandlungspartner ist schwer vorauszusehen. Diese Verhandlungen werden vieles überschatten und andere wichtige Fragen in den Hintergrund treten lassen in den kommenden Jahren. Viel Energie wird dafür aufgewendet werden müssen, die nun leicht angesäuerten EU-Kolleginnen und Kollegen wieder freundlich zu stimmen.

Dazu kommt, dass man meinen könnte, dass die britischen Konservativen zu registrieren verpasst haben, dass die EU von 2013 nicht mehr die EU von 1980 ist. Sie ist grösser, integrierter und vielfältiger. Vielleicht braucht das Vereinigte Königreich die EU inzwischen mehr, als die EU das Vereinigte Königreich noch braucht. Gerade die britische Wirtschaft würde vermutlich nach einem Freihandelsabkommen schreien, sollten die Briten wirklich austreten. So etwas kann aber eine Weile dauern. Besonders, wenn einem dieselben Leute am Verhandlungstisch gegenübersitzen, die man in eine Ecke gedrängt hat, um ihnen Konzessionen abzuringen, nur um sich dann doch zu verabschieden.
 

Crosspost von zoon politikon

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