#Die Linke

Störerhaftung beschäftigt nicht nur die Gerichte, sondern auch die Politik

von , 1.11.12

DIE LINKE hat im Bundestag einen Gesetzentwurf (BT-Drs. 17/11137) eingebracht, der, fußend auf dem Vorschlag (pdf) des Digitale Gesellschaft e.V., das Problem der Störerhaftung angeht. Konkret bedeutet das: Die Betreiber öffentlicher WLANs sollen wie Provider behandelt und von einer Haftung freigestellt werden.

Für uns ist es wichtig, dass möglichst jede und jeder einen Zugang zum Internet hat, auch wenn der Geldbeutel nicht besonders groß ist. Wir finden, der Zugang zu Informationen ist zugleich eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Entsprechend ist es nicht hinnehmbar, wenn ein größerer Teil der Bevölkerung nach dem Hinweis in der Tagesschau: „Weitere Informationen finden sie auf www. tagessschau.de“, vom Zugang zu diesen Informationen ausgeschlossen ist. Und tatsächlich zeigen die Zahlen des (N)Onliner-Atlas 2012 (pdf), dass 45,8% der Bevölkerung mit einem Einkommen von weniger als 1.000 EUR im Monat das Internet nicht nutzt – oder anders ausgedrückt: aus finanziellen Gründen nicht nutzen kann.

Nun gibt es in der Bundesrepublik zahlreiche private WLANs. Es wäre theoretisch ein Leichtes, diese Zugänge auch mit jenen solidarisch zu teilen, die sich einen solchen Anschluss nicht leisten können. Doch die allermeisten Betreiber solcher WLANs machen die Nutzung für Dritte mittels Verschlüsselung unmöglich. Hintergrund dafür ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH). Im Urteil „Sommer unseres Lebens“ vom 12. Mai 2010 (I ZR 121/08) wurde die verschuldensunabhängige Haftung für rechtswidrige Handlungen Dritter angenommen, die über nichtgeschützte WLANs vorgenommen werden. Das heißt: Für ein nicht oder schlecht gesichertes WLAN besteht Störerhaftung.

Die Lösung des Problems liegt in einer Haftungsfreistellung der Betreiber von öffentlichen WLANs. Privatleute ebenso wie Freifunkinitiativen und Inhaber von in Cafés, Gaststätten oder Buchhandlungen betriebenen Funknetzen können dann nicht länger auf Unterlassung einer Störung in Anspruch genommen werden.

Juristisch gesprochen: Durch eine Änderung des Telemediengesetzes (TMG) wollen wir klarstellen, dass die Betreiber öffentlicher WLANs ebenso als Diensteanbieter anzusehen sind, wie große kommerzielle Provider. Bislang profitieren nur Letztere von einer Haftungsfreistellung nach § 8 TMG. Ein neu hinzuzufügender § 8 Abs. 3 TMG stellte demnach nicht nur Rechtssicherheit her, er korrigierte auch die in diesem Punkt nicht nachvollziehbare Unterlassung des BGH, WLAN-Betreiber nicht wie Provider behandeln zu wollen.

Eine weitere Änderung soll ferner die Haftungsfreistellung nach § 8 Abs. 1 TMG auf die Störerhaftung ausdehnen, indem durch die Einfügung eines neuen Absatzes 4 eine Haftungsfreistellung für Unterlassungsansprüche normiert wird. Absatz 1 schließt die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter für fremde Informationen aus, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln, oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, sofern die Diensteanbieter die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt, und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Sicherlich wird von interessierter Seite der Vorwurf kommen, dass mit Beseitigung der Störerhaftung der massenhaften Urheberrechtsverletzung Tür und Tor geöffnet wird. Dem kann aber mit einem Verweis auf § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG begegnet werden. Dieser schließt die Haftungsfreistellung aus, sofern es eine absichtliche Zusammenarbeit zwischen Nutzer und Dienstanbieter zur Begehung rechtswidriger Handlungen gibt.

Natürlich kann es dennoch passieren, dass die eine oder andere Urheberrechtsverletzung nicht geahndet würde. Doch auch im Leben außerhalb des Kulturraums Internet wird nicht jede Straftat geahndet. Das wäre nur unter Bedingungen einer totalen Überwachungsgesellschaft möglich, die wir nicht wollen.

Und schließlich: Es kommt auch niemand auf die Idee, nach einer Kneipenprügelei den Eigentümer oder den Betreiber einer Kneipe für die an den jeweiligen Personen entstandenen Schäden zur Verantwortung zu ziehen.

Wenn wir das Problem der Störerhaftung lösen, dann erreichen wir Rechtssicherheit und soziale Gerechtigkeit. Das bereits sind zwei gute Gründe, dem Gesetzentwurf im Bundestag zuzustimmen.
 
Halina Wawzyniak bloggt auf wawzyniak.de

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