#Die Linke

Lafontaine als negative Integrationsfigur

von , 31.5.12

Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen könnte sich – mit etwas Abstand betrachtet – noch als große Realo-Wende der Linken erweisen. Denn in Nordrhein-Westfalen wurden die Grundlagen für eine künftige Zusammenarbeit mit der SPD gelegt.

Hä? werden Sie fragen – wie das denn?

Nun, die SPD hat am 12. Mai – nach langer Durststrecke – bewiesen, dass sie als „Kümmererpartei“ wieder Wahlen gewinnen kann. Und die westdeutsche Linke hat ihre Funktion als Sammelbecken der Protestwähler an die Piraten verloren.

Aber wäre es da nicht extrem bescheuert, wenn sich die genesende SPD nun ausgerechnet mit den zerstrittenen Linken beschäftigen würde?

Die Gelegenheit könnte für die SPD-Strategen nicht günstiger sein. Denn nun können sie die Linke endlich spalten. Und zwar mit relativ wenig Aufwand. Sie müssen die Axt nur richtig ansetzen.

Den Ost-Linken waren die westdeutschen Funktionäre und Protestwähler ja nie geheuer. Die ostdeutsche Linke ist eine bodenständige, moderate und staatstragende Partei – eine ostelbische Sozialdemokratie sozusagen. Und die würde wohl lieber heute als morgen mit der westdeutschen Sozialdemokratie kooperieren.

Lange Zeit ging das nicht. Der prominente SPD-Dissident Oskar Lafontaine, die westdeutschen Gewerkschafts-„Trotzkisten“ der WASG und die unberechenbaren Protestwähler standen einer solchen Kooperation im Weg. So lange die bunte Truppe aus dem Westen bei Wahlen zulegte, musste man schweigen.

Doch nun – unter dem Druck der verlorenen Wahl in Nordrhein-Westfalen und dem Erfolg der Piraten – scheint sich die ostdeutsche Linke aus der westdeutschen Umklammerung zu lösen. Die Ost-Linke will zurück zu ihren alten Sekundär-Tugenden: zu Berechenbarkeit, Zuverlässigkeit, Ordnungsliebe. Die Ost-Linke möchte jene Rolle in der sozialdemokratischen Famillje einnehmen, die in der Union die CSU ausfüllt. Es genügt ihr vollkommen, als regionale Variante der Sozialdemokratie akzeptiert zu werden – mit etwas mehr Betonung auf den Buchstaben S vielleicht.

Diese Entwicklung entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn Oskar Lafontaine, dessen eigentlicher Wunsch die Wiedervereinigung der 1917 gespaltenen Arbeiterbewegung ist, könnte sein Ziel hundert Jahre später tatsächlich erreichen – durch sein Scheitern. Der Mann, der in beiden Parteien zuhause ist und den Mitgliedern beider Parteien die Leviten lesen darf, ist für viele die negative Integrationsfigur schlechthin. Gegen Lafontaine könnte die Wiedervereinigung tatsächlich gelingen.

Und damit würden die vereinten Lafontaine-Gegner in Politik und Medien das bekommen, was Lafontaine immer wollte. Nur eben anders. Da sage noch einer, die Geschichte hätte keinen Humor.

 

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.