#Debatte

Warum es in der Urheberrechts-Debatte keine Einigung geben kann

von , 23.4.12

Die gesamte Debatte über das Urheberrecht ist breit getretener Quark. Die Argumente sind Sahnesteif, die Begründungen netzpolitische Kirchturmsrhetorik. Immerhin: Die Debatte, sie hat einen gewissen intellektuellen Unterhaltungswert. Gestritten wird schließlich vor allem mit rhetorischen Winkelzügen, die die Gegenseite bewusst falsch interpretieren, Argumente verfälscht zuspitzen, Nebenkriegsschauplätze überhöhen und so Material für Rhetorikseminare und Fußnoten zu Schopenhauer noch und nöcher bieten. Sein Werk: „Die Kunst, Recht zu behalten“ gibt es bei Amazon übrigens kostenlos fürs Kindle.

Dabei wird gestritten, obwohl eine Einigung gar nicht möglich ist. Es geht den Bolschewiken des Web ebenso wenig wie den kapitalistischen Lordsiegelbewahrern nicht um die Frage nach der Wahrheit oder der Praktikabilität, sondern letztlich um die Frage nach dem Markt. Freiheit oder Schranke, Kapital oder Kolchose. Die einen stolpern ins Wörterbuch des Unmenschen („Parasiten“), die anderen sehen in der Urheberrechtsdebatte das Erwachen der Weltrevolution.

Die Diskussion ist dabei ebenso bar jeder Einigung wie die Debatte bei ING-Diba, als es nur um die Wurst ging. Dort kloppten sich Veganer und Omnivoren um ein Scheibchen Wurst in der Werbung. Verständigung ausgeschlossen. Das macht nichts, würde dabei nicht auch die Toleranz unter die Räder geraten.

Beim Urheberrecht stehen sich die Kräfte gleichfalls unvereinbar gegenüber. So als stritten Protestanten und Katholiken um die Wahrhaftigkeit der Wandlung. Glaubensfragen überall.

Deshalb werden gemäßigte Kräfte wie Spreeblick, diese UNO unter den Diskutanten, auch gleich von beiden Seiten verprügelt. Toleranz, das passt nicht ins Weltbild. Wer in der Mitte steht, der steht eigentlich dazwischen und im Weg. Man muss sich heute eben zwischen den Extremisten entscheiden. Auch Gott mochte ja nichts Halbgares. Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein.

Dieser theologische Status durchzieht die gesamte Diskussion. Mein Recht, dein Recht. Mein Gott, dein Gott. Mein richtiges Leben, dein falsches. Ein verquerer Adorno im Totalitarismus des eigenen Seins macht es sich da im digitalen Leben bequem.

In dieser Debatte, die nur noch einem digitalen Rosenkranz gleicht, zählen schon längst keine Fakten und Argumente mehr, sondern gesellschaftliche Axiome. Die Zeit sortiert denn auch die Frontlinien.

Willkommen im Dreißigjährigen digitalen Krieg, weil niemand bereit ist, einmal in den Schuhen des anderen zu gehen. Vor solchen selbsternannten Demokraten, Liberalen und Freiheitskämpfern – und den Verteidigern der Ordnung – sollte uns grauen. Immer.

Milde des Alters. Geschichte wiederholt sich, auch in den Grabenkämpfen der Ideologien. Glaubenskriege, auch die zwischen digitalen Protestanten (oder sind es doch eher Digitafisten?) und Urheberrechts-Kreuzzüglern, aufgerufen, die heiligen Stätten des Rechts zu verteidigen, enden immer mit einem Westfälischen Frieden.

Der wird am Ende Kulturflatrate heißen, weil sie ganz bequem in der Mitte liegt. Und weiter wird keiner mehr schauen, wenn die Zungen fusselig, die verbalen Schlachten geschlagen, die Streitpapiere zerlesen und die Herzen müde sind.

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