#Joachim Gauck

Was von Gauck zu erwarten ist

von , 20.2.12

Manche glauben ja, auch den designierten Bundespräsidenten Gauck werde man nicht mit Samthandschuhen anfassen, nachdem das Spiel der Medien mit Horst Köhler und Christian Wulff so toll geklappt hat – siehe den Kommentar “Zur Strecke gebracht” in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Doch da irren sich manche, denn Joachim Gauck war und ist der Kandidat der großen Medien (= der Herzen). Spiegel, BILD und FAZ haben mit ihm den idealen Fürsprecher ihrer Interessen endlich durchgesetzt, meinen die NachDenkSeiten („Yes, we Gauck“).

Vor der pro forma noch notwendigen Wahl am 18. März werden die Bürger aber noch einmal mit den besonderen Eigenschaften und Meinungen des Ausnahme-Kandidaten konfrontiert. In der Süddeutschen Zeitung findet sich ein langes, aufschlussreiches Interview: „Die Leute müssen aus der Hängematte der Glückserwartung durch Genuss und Wohlstand aufstehen.“ Das ist eine doch ziemlich seltsame Aufforderung an den Exportweltmeister und europäischen Zampano.

Bei Spiegel Online dementiert Gauck zwar, ein “Supermann” zu sein, doch dieses Dementi wird ihm in der glücklichen Redaktion niemand so recht glauben. Julia Seeliger in der FAZ ist zwischen Netz- und Altmedien hin- und hergerissen, und meint, Gaucks positives Verhältnis zu Sarrazin sei eine Erfindung böswilliger Interpreten.

Malte Lehming sieht in der überraschenden Einigung auf Gauck schelmisch „Merkels Meisterstück“ und listet im Tagesspiegel noch einmal auf, mit welchen ganz und gar nicht hin- und hergerissenen Überzeugungen die Deutschen jetzt zu rechnen haben:

„Aktiv unterstützt von SPD und Grünen wird bald der konservativste Bundespräsident gewählt, den Deutschland je hatte… Im vergangenen Oktober, als weltweit Hunderttausende gegen die Macht der Märkte auf die Straßen gingen und die Bewegung „Occupy Wall Street“ von sich Reden machte, trat Gauck bei einer Veranstaltung der Zeit in Hamburg auf. Die Antikapitalismusdebatte sei „unsäglich albern“, sagte er, sprach von „Irrtum“ und „romantischen Vorstellungen“. Mit Blick auf die Demonstrationen gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 warnte er vor einer Protestkultur, „die aufflammt, wenn es um den eigenen Vorgarten geht“. Auch den Ausstieg aus der Atomkraft nach Fukushima sah er kritisch. Solche Entscheidungen dürfe man nicht von der „Gefühlslage der Nation“ abhängig machen. Die deutsche Neigung zu Hysterie und Angst sei ‘abscheulich'”

Gauck wolle den Deutschen die Angst vor einem beherzten “Ja zu Deutschland” nehmen, und dafür sei er sicher der Richtige:

“Gauck beklagt sich über „eine vor 20 Jahren nicht vorstellbare antikapitalistische Welle in Deutschland“, steht als Transatlantiker stets eng an den Seiten der USA, setzt sich für die Vertriebenen und den Afghanistankrieg ein, schimpft auf die Montagsdemos gegen Hartz IV („töricht und geschichtsvergessen“), sagt nach der Finanzkrise: „Wer ausgerechnet der Wirtschaft die Freiheit nehmen will, wird mehr verlieren als gewinnen“, und zur Integrationsdebatte: „Es gibt Viertel mit allzu vielen Zuwanderern und allzu wenigen Altdeutschen“. Thilo Sarrazin attestierte er im übrigen viel Mut.“

Auch die Netzpolitiker werden mit Gauck viel Freude haben. Felix von Leitner (fefe) ärgert sich deshalb tierisch über die verpasste Chance der Piraten, den Kabarettisten Georg Schramm alias Lothar Dombrowski rechtzeitig ins Spiel zu bringen – doch dieser hat wohl auch ein bisschen zu lange gezögert.

Offen ist jetzt noch, wen die Linke als Gegenkandidaten präsentiert. Doch wahrscheinlich interessiert sich – nach der Ausgrenzung aus dem Findungsgremium – auch dafür wieder kein… Blatt.

 

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.
Topics: | |