Netzsperren gegen Online-Wettbüros: Die Länder riskieren ihren letzten netzpolitischen Kredit

von , 11.4.11

Die in Internetfragen bekanntlich besonders versierten Staatskanzleien planen laut einer gemeinsamen Presseerklärung von AK Zensur und Chaos Computer Club Internetsperren gegen ausländische Online-Wettbüros. Hintergrund ist der neue Glücksspiel-Staatsvertrag: Demnach soll es in Deutschland zukünftig sieben lizenzierte privatwirtschaftliche Anbieter von Sportwetten geben – gegen einen geplanten Steuersatz von 16,7 Prozent.

Um diese neuen Lizenznehmer vor ausländischer, nicht lizenzierte Konkurrenz zu schützen und um für Steuereinnahmen zu sorgen, wollen die Länder nun offenbar doch wieder Netzsperren einführen. Inländische Provider sollen den Zugang zu den illegalen ausländischen Wettbüros unterbinden. Dafür ist offenbar eine breite Koalition von Staatskanzlei-Chefs und Landespolitikern.

Die Idee von entsprechenden steuereinnahmenfördernden Sperrverfügungen gibt es seit geraumer Zeit. Nach Informationen unserer Kollegen von Telemedicus könnte es aber diesmal ernst werden:

In den nächsten Tagen wird die finale Version des Gesetzesentwurfes erwartet. Änderungen sind nicht wahrscheinlich – es sei denn, dass die Ministerpräsidenten aus dem Debakel um das Zugangserschwerungsgesetz und dem gescheiterten Jugendmedienschutzstaatsvertrag gelernt haben.

Berichten zufolge sind diesmal auch einige grüne Landtagsabgeordnete den Sperren zugeneigt – immerhin geht es hier um die Regulierung einer nicht gar so geschätzten Industrie. Dies sieht im Gegenzug die FDP als Chance, sich als Anti-Netzsperrenpartei zu profilieren. Der Bundestagsabgeordnete Jimmy Schulz schreibt in einer Pressemitteilung:

„Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien haben sich mittlerweile gegen Netzsperren entschieden. Dabei kommt es nicht darauf an, zu welchem Zweck diese dienen sollen. Ich rufe alle Landtagsfraktionen der FDP dazu auf, sich jedem Entwurf zu verweigern der die Einführung oder die Verwendung von Internetsperren vorsieht.“

Meine Prognose: Entweder gibt es in der Endfassung des Staatsvertrags keine Netzsperren, oder den Ländern wird die Netzpolitik aus Gründen der Unfähigkeit einfach aus den Händen gerissen.

Update: Die grüne Landtagsabgeordnete Monika Heinold betont in einer Pressemitteilung vom Dienstag, dass ihre Fraktion gegen Netzsperren sei:

Dass wir Grünen gegen Internetsperren sind, müsste eigentlich auch der FDP bekannt sein. Auch müsste die FDP wissen, dass es andere Möglichkeiten als Internetsperren gibt, um Spieler- und Jugendschutzbestimmungen im Glücksspielbereich durchzusetzen.

Es sei im Gegenteil der Fall, so Heinold, dass mehrere Landtagsfraktionen der FDP den bisherigen Netzsperren-Entwurf des Glücksspiel-Staatsvertrag mitragen würden. Welche “anderen Möglichkeiten” Heinold für tauglich hält, die nationalen Glücksspielbestimmungen im internationalen Internet durchzusetzen, bleibt unklar.

Es bleibt dabei: Die Netzsperren als ein hübsches kleines Streitthema zwischen Grünen und FDP. Zugleich kann die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg die Netzsperren-Option im Glücksspielvertrag ja noch verhindern – die Rolle der Grünen in der Netzpolitik ist auch deshalb zukünftig eine andere.

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