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Die Grünen am Vorabend ihrer dritten Krise

von , 31.3.11

Zwei Mal in der gut 30-jährigen Geschichte der Grünen geriet die Partei an den Rand des politischen Abgrunds: Bei der Bundestagswahl 1990 scheiterten die Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde und lieferten sich anschließend heftige Flügelkämpfe zwischen Fundis und Realos. Dieser Richtungsstreit führte auch zu zahlreichen Parteiaustritten von prominenten Gründungsmitgliedern.

Die zweite große Krise durchlebte die Partei während ihrer Regierungsbeteiligung im ersten Kabinett Gerhard Schröder (1998–2002). Entgegen ihren pazifistischen Wurzeln stimmten die Grünen für die Bundeswehreinsätze im Kosovo und in Afghanistan. Dies führte nicht nur zu schweren innerparteilichen Auseinandersetzungen – die Grünen verloren auch an Rückhalt in der Bevölkerung. Nun, zehn Jahre danach, scheinen die Grünen in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Allerdings noch nicht ganz. Denn die dritte und entscheidende Krise wirft ihre Schatten bereits voraus: Die Grünen müssen eines Tages die CDU beerben (und nicht – wie derzeit – die FDP). Eine empirische Analyse legt dies nahe.

Drei Tage vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz legten die Sozialforscher Martin Kroh und Jürgen Schupp vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine aufschlussreiche Studie zur Anhängerschaft der Grünen vor. Da sie die Grunddaten für die Untersuchung dem Sozio-Oekonomischen Panel (SOEP) entnahmen (und nicht etwa einer Forsa-Umfrage für den stern!), wohnt den Ergebnissen eine hohe Aussagekraft inne. Denn für das SOEP – die größte und beste Längsschnittstudie der Welt – werden seit 1984 in regelmäßigen Abständen immer dieselben Personen befragt (derzeit sind es über 25.000).

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Hier die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

  • Die wachsende Zustimmung zu den Grünen speist sich – anders als vermutet – nur zu einem geringen Teil aus Abwanderungen von anderen Parteien (insbesondere von der SPD). Das heißt, die Grünen werden nicht deshalb stärker, weil sie anderen Parteien die Anhänger abjagen, sie werden stärker, weil immer neue Geburtskohorten in die Partei hineinwachsen.
  • Waren die Grünen-Anhänger von 1984 bis 1989 im Durchschnitt 28 Jahre alt, so sind sie heute im Mittel bereits 42. Denn die ersten Generationen junger Grünen-Anhänger aus den achtziger Jahren (also die Jahrgänge ab 1950) sind der Partei in hohem Maße treu geblieben. Der demographische Wandel der Gesellschaft begünstigt die Grünen mithin stärker als andere Parteien (die aufgrund ihrer Alterszusammensetzung allmählich aussterben).
  • Die Grünen rekrutieren ihre Anhänger nahezu ausschließlich unter Menschen mit Abitur. Solche mit einem Volks- oder Hauptschulabschluss finden sich dagegen eher selten (etwa drei Prozent). Dieser Zusammenhang hat sich seit den achtziger Jahren nicht verändert. Verändert haben sich jedoch der soziale Status und die Einkommenssituation.
  • Zwischen 1984 und 1989 unterstützten 26 Prozent der Personen in Ausbildung die Grünen, während diese bei den Selbstständigen, Beamten und Angestellten nur auf fünf bis acht Prozent kamen. Seitdem ist die Unterstützung unter den drei letztgenannten Berufsgruppen stetig gewachsen, oder genauer: Die Anhänger der Grünen sind in diese Berufsgruppen hinein gewachsen. Heute liegt der Anteil grüner Unterstützer unter den Beamten bei 20 Prozent, unter Selbstständigen und Angestellten bei 18 Prozent. Bei Rentnern, sonstigen Nichterwerbstätigen und Arbeitern fanden die Grünen dagegen zu keinem Zeitpunkt besondere Unterstützung. Bei Arbeitslosen ist der Anteil grüner Parteibindungen in den letzten Jahrzehnten sogar rückläufig.
  • Von 1984 bis 1989 fanden die Grünen die relativ höchste Unterstützung beim untersten Einkommensfünftel der Gesellschaft (damals rund 9 Prozent). Das hat sich in den folgenden Jahren ins Gegenteil verkehrt. Zwischen 2008 und 2010 findet sich der höchste Anteil an Grünen-Unterstützern bei den Personen im obersten Einkommensfünftel (16 Prozent).
  • Bezogen auf die soziale Position ihrer Anhänger finden die Grünen heute die höchste Unterstützung im gutsituierten Bildungsbürgertum. Der Erfolg der Grünen bei Selbstständigen und Freiberuflern sowie bei Personen mit überdurchschnittlichen Einkommen untergräbt also den bürgerlichen Alleinvertretungsanspruch von Union und FDP für diese Klientel. Dagegen deutet die fehlende Unterstützung der Grünen bei Menschen mit geringer Bildung, Arbeitern und Arbeitslosen darauf hin, dass die Grünen trotz ihrer Selbstwahrnehmung als „linke“ Kraft weder mit der SPD noch mit den Linken um Anhänger aus dem klassischen Arbeitermilieu konkurrieren.
  • Neben dem strukturellen Wandel der Anhängerschaft der Grünen zeigen die SOEP-Daten aber auch den Verlust eines früher zum Selbstverständnis der Grünen gehörenden Themas: Frieden. Seit Ende der neunziger Jahre unterstützen Befragte, die Sorgen um den Friedenserhalt äußern, nicht mehr überproportional die Grünen. Die wachsende Unterstützung der Grünen durch Frauen könnte darauf hindeuten, dass das Thema Gleichstellung zum neuen thematischen Schwerpunkt aufsteigt.
  • Fazit: Die Grünen repräsentierten in ihren Anfängen eine Partei der gebildeten, aber schlecht verdienenden sowie ökologisch orientierten Jungen. In den folgenden Jahrzehnten ist es ihnen gelungen, sowohl die frühen Unterstützer dauerhaft an die Partei zu binden als auch nach wie vor überdurchschnittlich erfolgreich bei Erst- und Jungwählern zu sein.
  • Heute sind die Grünen die Partei der umweltbewussten, gut gebildeten, gut verdienenden Beamten und Selbstständigen mittleren Alters in Großstädten.

Eine Volkspartei ist das noch nicht. Aber zuzutrauen ist den Grünen auch dieser Wandel.

 

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