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Medienlinks zum Wochenstart: Optionen an der Bezahlmauer

von , 20.3.11

Top-Tipp:

“Please stop calling it a wall”: First thoughts on the Times’ pay plan

Lois Beckett (Nieman Journalism Lab) hat Stimmen von Medienexperten zur neuen Bezahlmauer der New York Times gesammelt. Die flexible Paywall ist auf dem Testmarkt Kanada bereits in Kraft und soll für den Rest der Welt am 28. März hochgezogen werden. Beckett befragt u.a.:

  • Steven Brill, Mitgründer des kostenpflichtigen Portals Journalism Online: “I think it makes a lot of sense. […] All in all, a smart, well-thought-out plan. […] But please stop calling it a wall. It’s not a wall. It’s a smart, flexible strategy that will produce a perfect blend of reader and advertising revenue. Walls turn people away and force a publisher to choose between advertising revenue and circulation revenue. This does neither.”
  • Megan McCarthy, Redakteurin des Nachrichtenaggregators  Mediagazer: “In the end, I think the only people who will make money off of the Times’s paywall will be developers who code up a workaround and the lawyers hired to go after them.”
(alle s. Überschriftenlink).

Weitere von mir zusammengestellte Ansichten:

  • Cory Doctorow bei Boing Boing hält man die Paywall für viel zu kompliziert, sie lade geradezu dazu ein, sie zu umgehen: “Which means that lots of people will take countermeasures to beat the #nytpaywall. The easiest of these, of course, will be to turn off cookies so that the Times’s site has no way to know how many pages you’ve seen this month”.
  • Ken Doctor unterzieht die Paywall-Strategie einem Sieben-Stufen-Test und räumt ihr durchaus Chancen ein. (s. dazu auch meine Kurzübersetzung und Anmerkungen)
  • Matthias Spielkamp fragt sich: “Wie ausgefeilt ist die Technik? Wenn allein über IP-Adresse und/oder Cookies bestimmt wird, wie viele Artikel bereits gelesen wurden, ist die Kontingentierung leicht zu umgehen. […] Wann werden die ersten Tools erhältlich sein, die einen die NYT vollständig kostenlos lesen lassen, ohne sich um den Krams selbst kümmern zu müssen? Am 28. März?
  • André Vatter kommentiert den Umstand, dass zwar die NYT die Zahl der Besuche über Google limitiert, nicht aber die Besuche über Verweise in sozialen Netzwerken: “Schon im vergangenen Jahr wurde deutlich, dass Google als Instrument der Lesersteigerung nur noch bedingt taugt, immer häufiger gelangen Nutzer nicht über die Suche, sondern über die Netzwerke auf News-Seiten. Facebook hat in dieser Hinsicht Google bereits weit hinter sich gelassen. Anders formuliert: Google wird für die Verleger immer entbehrlicher, während simultan die Bedeutung von Social Media steigt.

Die Formel GuttenPlag

Martin Ganteföhr untersucht bei Zeit Online, warum Guttenplag so gut funktioniert hat, andere Crowdsourcing-Plattformen zur Entlarvung von Plagiaten allerdings dahinsiechen. Zum Beispiel das Wiki, das die Doktorarbeit von Gadhafis Sohn Saif untersuchen will. “Das Problem, dass Gadhafi ein akademischer Hochstapler ist, nimmt sich etwas läppisch aus angesichts der Tatsache, dass er derzeit vor allem als brutaler Gegner einer Befreiungsbewegung auftritt”, so Ganteföhr. PlagiPedia wiederum fehle es am Fokus auf ein klares Ziel: “Ohne Not hat sich die Plattform eine lange Fahndungsliste aufgehalst und den Crowd-Vorteil des Internets – viele User, eine Aufgabe – damit selbst neutralisiert. Schlagkräftig ist das Netz zudem, wenn es Dinge untersuchen kann, die sich in der digitalen Sphäre befinden. Dissertationen aus den siebziger Jahren – PlagiPedia listet etwa Gregor Gysis und Wolfgang Schäubles – sind aber ohne Netz entstanden. Sie gründen auf Sekundärquellen, die vermutlich noch offline sind. Solche Recherchen sind auch in Crowdsourcing-Zeiten extrem mühsam. Und es fehlt an Motivation, wenn nicht mal ein Anfangsverdachts besteht.”

The coming open data battle – government versus commercial interests

Craig Thomler analysiert bei Government in the Lab die Gewinner und Verlierer des Modells Open Data – dem anzustrebenden Ideal, dass öffentliche Daten per se zugänglich sein sollten, es sei denn schwerwiegende Umstände sprechen dagegen (und nicht umgekehrt). Zu den Gewinnern zählt Thomler Bürger und gemeinnützige Organisationen: “The data allows citizens and organisations to build a more informed view of their government’s activities, a good accountability measure.” Zu den Verlieren zählt er Interessengruppen, die von einem Wissensvorsprung profitieren, wenn Daten nicht frei zugänglich sind: Spezialinformationsdienste z.B. mit Satellitenaufnahmen, Börsenmakler und (Teile von) Regierungen, die sich lieber nicht so genau auf die Finger schauen lassen möchten.

Live-Blogs: “Riesenappetit auf Information”

Steffen Leidel beschäftigt sich im DW-Ausbildungsblog lab mit den Erwartungen der Nutzer an eine Echtzeitberichterstattung vor allem in Krisenzeiten. Er zitiert u.a. David Gelernter (Beitrag in der FAZ) und befragt zwei Live-Blogger des Guardian und der Plattform Eskup. Laut Leidel sind Journalisten “nicht mehr reine Gatekeeper, sondern vielmehr Gatewatcher, die – wollen sie noch von ihren Rezipienten wahrgenommen werden – aus dem ungebändigten Strom Kanäle formen müssen, auf denen sich ihre Rezipienten gerne treiben lassen. Medienunternehmen wie die New York Times, der Guardian, Al Jazeera oder El Pais haben dauerhaft so genannte Live-Blogs eingerichtet. Typisch für Live-Blogs ist,  dass Informationen aus vielen Quellen kombiniert werden, sie enthalten Links auf Blogs, andere Medienanbieter, zitieren Tweets und integrieren Fotos und Videos von Nutzern (in Deutschland ist das noch eher selten, Liveblogs fallen hier oft durch das Fehlen jeglicher Links auf. Es gibt natürlich Ausnahmen wie z.B. der News-Blog der Zeit.)”

How blogs have changed journalism

Der US-Journalist Felix Salmon von der Nachrichtenagentur Reuters ist befragt worden, wie Blogs den Journalismus verändert haben und hat das bemerkenswerte Interview auf sein Blog gestellt. Natürlich gilt das, was er sagt, in erster Linie für den US-Medienmarkt, aber die Befruchtung in beide Richtungen ist durchaus auch bei uns schon zu erkennen, obwohl Blogs in Deutschland eine geringere Bedeutung haben als in den USA. Salmon sagt unter anderem: “Mainstream news organizations have all embraced blogging to a greater or lesser extent, although a lot of them use the existence of blogs as an excuse not to do much in the way of external linking elsewhere on their websites. In general, news sites are becoming bloggier, with more assiduous editorial standards, while big blog sites are becoming newsier; that trend is likely to continue. But it’s still possible to make a name for yourself by starting a blog! And it’s also a great way of improving your writing and general communication skills. More people should do it!”

FAQ: Journalism vs blogging

Auch Paul Bradshaw ist befragt worden, und zwar zum leidigen Thema Blogger versus Journalisten. Die Fragen sind abgestanden, Bradshaws Antworten dagegen treffend und lakonisch. Ein Auszug. Frage: “What are the main distinctions between journalists and bloggers?” Antwort: “Journalists are defined by what they produce; bloggers are defined by the technology they use.” Frage: “As journalists don’t really have to have some sort of journalist degree – how then can a blogger become a journalist?” Antwort: “By producing journalism.”

Die Fachjournalistin Ulrike Langer bloggt auf medialdigital. Carta übernimmt die Linktipps mit freundlicher Genehmigung der Autorin als Crossposting. Backlinks bitte freundlicherweise zu den Original-Linktipps setzen.

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