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Jens Schröder über die Deutschen Blogcharts: „Ans Aufhören denke ich definitiv nicht“

von , 12.12.10

Seit einigen Monaten hängt die Aktualisierung der Deutschen Blogcharts hinterher. Sie machen diese Arbeit normalerweise in Ihrer Freizeit. Fehlt Ihnen momentan die Muse, gibt es zu wenig Feedback, ist es Blog-Ermüdung oder woran liegt es?

Jens Schröder: Der Hauptgrund ist in der Tat die fehlende Zeit. Wie Sie ja schon richtig gesagt haben, errechne ich die Blogcharts in meiner Freizeit. Das Geld, das ich im Laufe der Jahre mit Werbung eingenommen habe, ist nicht der Rede wert. Und eine Sache, die zum einen viel Arbeit macht, zum anderen aber kein Geld einbringt, leidet immer dann, wenn man die Zeit für Arbeit braucht, die Geld einbringt – oder für Dinge, die entspannender sind als stundenlange Excel-Arbeit. Zudem spielt natürlich auch die Entwicklung der Charts eine Rolle – Links zwischen Blogs nehmen ab, stark verlinkende kleine Communities können daher rasend schnell auf die vorderen Plätze kommen – da macht man sich natürlich Gedanken, ob die Charts in dieser Form noch Sinn machen.

Carta: Wenn man die jeweiligen Höchstverlinkungen (peaks) oder die Kurvenverläufe der Blogs betrachtet, stellt man fest, dass die gegenseitige Verlinkung der Blogs schon seit Jahren abnimmt. Zeigt sich hier ein Trend zur Verinselung, zur hermetischen ‘Blog-App’ nach dem Motto ‘Jeder wurstelt für sich – ohne groß nach links oder rechts zu schauen’? Ist der Vernetzungsgedanke nur noch eine ideologische Hülse?

Schröder: Ich denke, dass der Abwärts-Trend der Verlinkungen verschiedene Gründe hat. Die Blogszene ist unübersichtlicher und gleichzeitig mit hoher Wahrscheinlichkeit kleiner geworden. Viele Blogger aus den alten Zeiten haben aufgehört, weil ihnen die Zeit fehlt, es kein Geld zu verdienen gibt oder sie inzwischen andere Plattformen nutzen, um zu publizieren. Facebook und Twitter spielen hier definitiv eine Rolle – auch im Hinblick auf Ihre Theorie der Verinselung. Ich beobachte in den Blogs, die ich lese, seit Jahren den Trend, kurze, schnelle Dinge wie Links, Lesetipps etc. per Twitter oder Facebook loszuwerden und im Blog vornehmlich längere Texte zu veröffentlichen. In diesen Blogs gibt es so automatisch weniger Links zu anderen Blogs, es entsteht der Eindruck einer solchen Verinselung. Dass der Vernetzungsgedanke nur noch eine “ideologische Hülse” ist, glaube ich aber definitiv nicht, nur gibt es inzwischen eben nützlichere Tools, um sich zu vernetzen, als ein Blog.

Carta: Bei den Twitter-Charts zeigt sich eine starke Dominanz der klassischen Medien bzw. ihrer Online-Ableger. Haben die Blogs die Schlacht um Aufmerksamkeit und Akzeptanz gegen die Medien-Profis verloren?

Schröder: Das kann man sicher so sehen. Twitter ist kein Netzwerk von Bloggern, sondern eindeutig im Mainstream angekommen – bei den Bravo lesenden Justin-Bieber-Fans genau so wie bei älteren Leuten, die wissen wollen, was im Netz und in der Welt passiert. Zudem haben große Redaktionen mit hauptberuflichen Journalisten und Autoren natürlich deutliche Vorteile gegenüber Bloggern, die vornehmlich ihre Freizeit für das Schreiben nutzen. Man kann es aber auch komplett gegenteilig sehen: Wenn ich mir anschaue, dass sich das in den Twittercharts bestplatzierte Blog netzpolitik.org auf Rang 14 findet – vor großen Nachrichtenseiten wie Handelsblatt.com, DerWesten oder N24.de – dann finde ich das durchaus beachtlich. Bei den Leserzahlen befände sich ein Blog wie netzpolitik.org nicht mal in den Top 100 aller deutschsprachigen redaktionellen Angebote. Und immerhin finden sich derzeit 23 Einzelblogs oder Blog-Netzwerke in den Twittercharts. Eine Niederlage sieht für mich anders aus.

Carta: Die beiden wichtigsten Referenzadressen/Instanzen der Blogsphäre – Rivva und die Deutschen Blogcharts – haben in letzter Zeit Probleme. Denken Sie ans Aufhören? Oder planen Sie etwas Neues?

Schröder: Ans Aufhören denke ich definitiv nicht. Ich habe durchaus vor, die Blogcharts in der bisherigen Form noch in diesem Jahr wieder auf einen aktuellen Stand zu bringen. Parallel dazu denke ich aber auch darüber nach, wie ich sie weiter entwickeln kann, um sie wieder relevanter zu machen. Dazu werde ich demnächst auch eine Diskussion in meinem popkulturjunkie.de-Blog anstoßen, um schon vor einem eventuellen Relaunch der Charts Feedback zu meinen Ideen zu bekommen.

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