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Facebook Phone: Der “Social Layer” durchdringt einfach alles

von , 27.9.10

Seit Apple mit dem iPhone den Markt ziemlich gründlich aufgemischt hat, sind Mobiltelefone nicht mehr das, was sie früher einmal waren. Da ist es nachvollziehbar, dass Google mit seinem Betriebssystem Android den Anschluss an Apple suchte (und ihn auch fand). Wozu aber arbeitet Facebook an einem eigenen Mobiltelefon? Ist dieser Markt nicht schon reichlich dicht besetzt?

Wer glaubt, dass Mark Zuckerberg hier nur mit einer Variation des bereits Bekannten aufwarten wird, dürfte sich täuschen. Das Facebook Phone entspringt vermutlich seinen persönlichen Erfahrungen mit dem iPhone sowie mit Android-Geräten, die ihn in Bezug auf den mobilen Einsatz von Facebook unbefriedigt gelassen hatten.

Tatsächlich erscheint das Social Network auf diesen Geräten meist nur in Form von Applikationen, die einen ergänzenden Charakter zu den grundlegenden Funktionen der Mobiltelefone darstellen. Im Kern werden sowohl das iPhone als auch Googles Android-Geräte erst “lebendig” wenn sie mit dem Adressbuch eines klassischen Computers bzw. Email-Postfaches synchronisiert werden. Ihr Herz schlägt also in gewisser Weise nach dem Takt der guten alten E-Mail und Sprachtelefonie, was in den Augen eines Mark Zuckerberg und vermutlich auch vieler (jüngerer) Facebook-User hoffnungslos altmodisch und irrelevant sein dürfte.

Auf dem Facebook Phone wird deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit das jeweilige Beziehungsnetzwerk der Facebook-User im Mittelpunkt stehen und den Kern des Adressbuches bilden. Entsprechend einfach werden darum herum die Kommunikationsmöglichkeiten (Messaging, Chat, Telefonat…) gruppiert sein. Sie ergeben sich logisch aus dem Kontext des Social Networks und nicht mehr unbedingt als separate, eigenständige Anwendungen.

Im TechCrunch-Interview mit Michael Arrington sprach Mark Zuckerberg davon, eine Art “social layer for everything” zu entwickeln, was eine diplomatische Umschreibung dafür ist, nicht sagen zu wollen, wie weitreichend die eigenen Pläne tatsächlich sind. Klar ist aber, dass auf dem Facebook Phone das Social Network die Informations- und Kommunikationsdrehscheibe sein wird, die über Schnittstellen Brücken zu anderen Anwendungen bzw. Applikationen schlagen wird.

Damit trägt dieses Gerät auch der Tatsache Rechnung, dass moderne Smartphones weit weniger zum Telefonieren, als vielmehr für die Nutzung von Applikationen, Spielen bzw. dem Browsing im Web eingesetzt werden.

Für Apple und Google kommt diese Entwicklung ungelegen. Denn beide Unternehmen haben Facebook praktisch nichts entgegen zu setzen. Apple hat erst kürzlich gegenüber Facebook den Kürzeren gezogen, als man den neuen Service Ping, eine Art Empfehlungsdienst für Musik auf Basis von iTunes, mit Facebook verbinden wollte. Über ein Jahr sollen die Verhandlungen dazu gedauert haben, am Ende sagte Facebook ab und Apple war düpiert, hatte doch Steve Jobs noch persönlich die Schnittstelle von Ping zu Facebook verkündet. Bei Facebook setzt man statt dessen offenbar auf das schwedische Startup Spotifiy, um Musik auf die eigenen Geräte zu bringen.

Google geht es kaum besser: Den Gerüchten zufolge soll das Facebook Phone auf Android basiern. Das ist gut vorstellbar, ist Android doch quellenoffene, frei Software, die praktisch jeder nutzen kann. An Facebook wird man bei Google allerdings nicht gedacht haben, als die Software für Smartphones publiziert wurde. Wird man nun am Ende noch zum Steigbügelhalter für Facebook, nachdem bis in die jüngste Zeit hinein alle Bemühungen von Google, ein eigenes Social Network als Gegengewicht zu Facebook aufzubauen, gescheitert sind?

Entscheiden werden das letztlich die Käufer der Geräte. Sie haben heute schon eine enorme Auswahl bei Hardware und Software. Denn neben den schon genannten Anbietern wären da noch Unternehmen wie Microsoft, Nokia oder der Backberry-Hersteller Research in Motion, die alle ihr Stück vom Kuchen bekommen wollen und sichtlich bemüht sind, nicht den Anschluss an die rasend schnelle Entwicklung des Marktes zu verlieren.

Sollte Facebook es schaffen hier Fuß zu fassen, wäre damit eine neue Entwicklungsstufe erreicht: Nicht mehr Hard- und Software allein wären dann die maßgeblichen Determinanten für den Markterfolg eines Gerätes, sondern die Verbindung von sozialer Vernetzung mit technischer Funktionalität.

Dieser Punkt ist auch für Inhalteanbieter unterschiedlichster Art wichtig. Denn schon heute entwickelt sich auf Facebook eine enorme Verflechtung von persönlichen Beziehungen und Dialogen einerseits, sowie der Kommunikation mit Marken und Medien andererseits.

Waren in der vordigitalen Zeit diese Sphären und Gattungen relativ klar getrennt, verschwimmen nun die Grenzen und bisher sauber Getrenntes durchdringt sich gegenseitig. Durchdringung scheint somit ein charakteristischer Begriff für das zu werden, was uns in Form von Facebook entgegenschlägt und was für die digitale Gesellschaft der nächsten Jahrzehnte bestimmend werden könnte.

So gesehen ist es nur konsequent, wenn Mark Zuckerberg nun versucht, mit dem Facebook Phone sein Konzept des Social Graph auch in mobiler Form unter die Leute zu bringen. Denn damit bieten sich auf der Ebene der Inhalte neue Möglichkeiten für das Social Network und seine User, was letztlich zu mehr Unternehmenswachstum und Umsatz bei Facebook führen dürfte.

Allerdings entsteht damit zugleich auch eine immer größer werdende, monopolartige Struktur, die auch Unbehagen auslösen kann. Das folgende Zitat, über Twitter bekannt geworden, bringt die Sache auf den Punkt:

“If you are not paying for it, you’re not the customer; you’re the product being sold.”

Stowe Boyd vermutet in diesem Zusammenhang, dass die User sich deshalb eines Tages von Facebook abwenden werden, ähnlich wie es vor ca. 10 Jahren bei AOL geschehen ist. Voraussetzung dafür ist neben dem Unbehagen über das Social Network allerdings auch eine wachsende Technik-Kompetenz, mit der man sich dann, etwa durch einen geschickten Umgang mit RSS, einen News Stream à la Facebook auch selbst zusammen stellen kann.

Noch ist der Markt dafür nicht reif und Mark Zuckerberg kann deshalb auf die Bequemlichkeit und IT-technische Unkenntnis seiner User setzen. Immerhin treibt er damit aber auch den Strukturwandel ein erhebliches Stück weiter und richtet den Fokus bei den Mobiltelefonen auf ein neues Differenzierungsmerkmal aus: Wenn mobiles Telefonieren eine Selbstverständlichkeit ist, ebenso wie Touchscreens, Applikationen und das mobile Browsing, dann rückt das Beziehungsgefüge, der Social Layer, in den Mittelpunkt.

Einmal mehr könnte Mark Zuckerberg damit den Trend der Zeit richtig erkannt haben. Wenn das Facebook Phone in seiner Optik und im Handling ähnlich gut gemacht sein wird, wie heute schon die Website des Social Networks, könnte es ein großer Erfolg speziell bei jüngeren Menschen werden. Denn für sie dürfte es viel natürlicher sein, ihr Handy mit den Login-Daten eines Social Networks zu aktivieren, als mit denen eines E-Mail-Clients.

Dann sieht man vielleicht wieder Steve Jobs und Eric Schmidt gemeinsam Kaffee trinken. Die Feindseligkeiten der letzten Zeit könnten vergessen sein und gemeinsam werden die beiden älter werdenden Herren überlegen, wie sie auf diese Herausforderung antworten sollen.

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