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Berlin Music Week: “Drei höchst ungleiche Partner”

von , 23.8.10

Heute in zwei Wochen beginnt die Berlin Music Week. Das Gemeinschaftsprojekt von drei höchst ungleichen Partnern soll vom 6. bis 11. September Antworten auf die Probleme liefern, an denen zuvor die Branchenmesse Popkomm gescheitert ist. Zu kämpfen hatte die im vorigen Jahr abgesagte Musikmesse in erster Linie mit den Folgen der Digitalisierung. Downloads ließen die Umsätze der Plattenfirmen einbrechen und die Branche begann sich neu und kleinteiliger zu organisieren.

Die Reaktion auf die Absage der Popkomm kam prompt: Eine Gemeinschaft aus Netz- und Musikaktivisten (zu der auch die re:publica-Veranstalter newthinking und der Autor gehören) startete als gemeinnütziger Verein ein offenes Diskussionsforum, um sich den Problemen zu stellen. Im Rahmen der all2gethernow (kurz a2n) wurden 2009 erstmals nach Lösungen für Bands, Labels und Internet-Community gesucht. Kurz darauf feierte das “Berlin Festival” seine Premiere auf dem Flughafen Tempelhof. Veranstaltet wird es von der privatwirtschaftlichen Melt/intro-Gruppe.

Neben den Verlegern und Veranstaltern von Melt/intro wurden jetzt der Verein a2n und die städtische Messe in der Berlin Music Week zusammengefasst. Man wollte sich vernetzen und nicht gegeneinander arbeiten. Das war einerseits ein Gebot der Logik, andererseits aber auch ein Wunsch der Stadt. Von der Zusammenarbeit verspricht man sich Denkanstösse mit dem Begin des a2n-Camps am 6. und 7. September in der Kulturbrauerei und Konzerthöhepunkte mit dem “Berlin Festival” bis zum 11. September auf dem Rollfeld von Tempelhof. Zwischendurch, am 8. und 9. September, wird in den Ankunftshallen der Neustart der Popkomm gewagt.

Die Interessen der Partner sind dabei dennoch durchaus unterschiedlich: Während die a2n für Musiker und Musikproduzenten attraktiv sein möchte, muss das “Berlin Festival” Karten an Konzertgänger verkaufen und die Messe jede Menge Fläche vermarkten. Das zeigt sich auch in der alles andere als homogenen Preisstruktur. Während zwei Tage a2n-Teilnahme für 30 Euro zu haben sind, gibt es das Popkomm-Ticket für alle Tage nicht unter 236 Euro. Der mächtige Preis wird damit begründet, dass man dafür auch Zutritt beim Festival und der a2n erhält.

Viele potenzielle Teilnehmer der Popkomm schreckt ein solcher Preis aber wohl eher ab, denn heutzutage sind viele Bands zugleich ihre eigene Plattenfirma und müssen auf ihr Budget achten. Große Konzerne wie Universal, Sony, Warner und EMI, für die der Preis wohl weniger ins Gewicht fällt, stellen eine deutliche Minderheit in der Breite der Musikbranche dar.

Die Preispolitik wird sicher auch dadurch begründet, dass das Geschäftsmodell der Messe im Verkauf von Standflächen besteht. Die Messe, der weitaus größte Partner im Verbund der Berlin Music Week, hat ihre Aufgabe auch bereits erledigt: Die Ausstellungsflächen auf den Flughafen Tempelhof sind ausverkauft. Der verantwortliche Messe-Geschäftsführer Kleinhenz war darüber so begeistert, dass er glatt alle zuvor getroffenen Absprachen der Partner der Berlin Music Week vergaß: Eigentlich wollte man Fakten und Neuigkeiten gebündelt und zusammen kommunizieren. Mit einer schnell einberufenen Pressekonferenz am vergangen Dienstag eilte er seinen Partnern davon. Den geladenen Medienvertretern wurde verkündet, dass neben diversen Exportbüros aus allerlei Ländern und Regionen nun auch die EMI zur Teilnahme habe überredet werden können.

Wer sich auskennt weiß, dass die EMI mit ihrer Schuldlast von 2.9 Milliarden Euro das Griechenland der Musikbranche ist. Hoffentlich hat sie ihren Stand bereits vorab bezahlt. Auch die anderen Mieter sind großteils Beleg einer noch nicht zu Ende durchlebten Strukturkrise der Musikwirtschaft: Es sind fast ausschließlich städtische oder staatliche Organisationen. Nicht nur in Deutschland wurde Popmusik im Übergang von großen zu kleinen Strukturen Gegenstand staatlicher Förderpolitik. Eine Popkomm, auf der sich die unterschiedlichen staatlichen Programme gegenseitig präsentieren, hat aber eher einen geschäftsfremden Charme und erinnert viel mehr an die „Schaufenster des Sozialismus“ genannten Leipziger Frühjahrsmessen.

Egal ob Musik, Presse, Rundfunk, Kino – die Digitalisierung führt dazu, dass die Strukturen unter Druck geraten, Produzenten und Konsumenten jedoch an Bedeutung gewinnen. Mit Hilfe des Internets tauschen beide Seiten sich nämlich oft gänzlich ohne Mittelsmann aus. Die a2n versucht deshalb Musiker zu binden und ihnen etwas zu bieten: Brachenexperten werden ihnen einen ganzen Tag in einer „Werkstatt“ zu ihrer eigenen Musik Rede und Antwort stehen, der Produzent und Schlagzeuger Martin Atkins (u.a. Nine Inch Nails) erklärt das neue Musicbusiness und die Gründer von „Flattr“ werden aufzeigen, wie Micropayment funktioniert. Das “Berlin Festival” versucht Konzertbesucher im Scharen heranzuziehen: Mit Hot Chip, LCD Soundsystem, Fatboy Slim und vielen mehr werden fast alle Stars der elektronischen Musikszene aufgeboten. Beides wird hoffentlich im großen Rahmen angenommen werden.

Nur die konsequente Einbeziehung derer, die Musik machen und derer, die sie konsumieren, wird auf Dauer zu einer erfolgreichen Re-Etablierung der Popkomm führen können. Der für die Messe verantwortliche Wirtschaftssenat wird sich das Treiben auf der Berlin Music Week sicher genau anschauen. Bleibt es beim bislang diskutierten Timing für das Jahr 2011, findet sie dann direkt vor der Wahl statt…

Diesen Text hat Tim Renner für Carta und sein Motorblog geschrieben.

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