#Medienkrise

Teil 2: Verlage zwischen Web 2.0, Vermarktung und „Krise“

von , 16.12.08

Die folgenden Teile werfen Licht wie Schatten auf deutsche Verlagskonzerne. Es ist zu beobachten, dass sich eine in 400 Jahren aufgebaute Professionalität in einem sich zunehmend dezentralisierenden Kommunikationsraum schwertut. Es gelingt ihr bisher kaum, ihre Angebote Nutzern als auch Werbe- und Anzeigenkunden folgenreich zu vermitteln.

Artikel-Serie von Jan Krone: Teil 1, Teil 2, Teil 3

Teil 2: Was tun mit sozialen Gemeinschaften im Internet?

Anders als das Sammeln und Auswerten von Reichweiten von kommerziellen Massenmedien lässt sich die Professionalität in der Telekommunikationsbranche verorten. Seit dem späten 19. Jahrhundert zeichnet sich das Geschäftsmodell dadurch aus, dass Kunden ein Zugang zu Kanälen bereitgestellt wird, die interpersonale Kommunikation ermöglichen. Dieser „Access“ bildet die Grundlage der Erlöse.

Die ökonomische Logik, die sich aus der Untergliederung in Mikro-, Meso und Megamedien ergibt, ist, dass weder die Geschäftsmodelle der Telekommunikation noch die der Massenmedien analog auf die hier thematisierten social communties übertragen werden können. Sie müssen einem intelligenten Anpassungsprozess unterworfen werden, der die spezifischen Eigenschaften mesomedialer Oberflächen antizipiert und in der Folge anwendet.

Das Phänomen ist so langsam begriffen. Das Problem nur: Wie sieht das Geschäftsmodell für diesen neuen Mittelbau des Mediensystems aus?

Diese Antzipationsleistung der Verlagskonzerne ist mit Stand 2008 unterschiedlich zu bewerten.

Befasst man sich mit der ökonomischen Logik der Mesomedien, so ist zunächst bemerkenswert wie wenig Erfolgsgeschichten großer Verlage es in diesem Segment gibt. Bei denjenigen, die heute besonders laut „Krise, KRISE“ schreien, handelt es sich augenscheinlich um die Branchenvertreter, welche die ersten Jahre des 21. Jahrhunderts arrogant versucht haben, nach der eingeübten massenmedialen Ordnung auch im „neuen“ Segment Internet klassische Medien errichten zu können. Sie hoffen, auch hier auf Basis der gelernten  Mechanismen, ihre Dominanz entfalten zu können. Einige waren sich ihrer Sache so sicher, dass sie annahmen, im Falle eines mittleren Scheiterns könnte man das das lästige Internet notfalls wieder „abschalten“.

Immerhin gelang es einigen Verlagen, beispielsweise der SPIEGEL-Gruppe oder – später – dem Axel Springer Verlag als solche Branchenvertreter aufzutreten, die sich durch ihre Entscheidungen so positioniert haben, als dass sie in der Lage sind, zumindest im klassischen Online-Bereich (sic!) nicht nur publizistische Angebote bereitzustellen (weitestgehend ohne Entgelt), sondern diese auch adäquat vermarkten können. Von Krise keine öffentliche Rede, von internem Druck dagegen umso mehr.

Hingegen bequemen sich andere große Branchenvertreter offenbar Jahre zu spät von ihren Sonnendecks. Mit der Erkenntnis, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten keine Argumente zur Vermarktung ihrer Werbeflächen parat zu haben, werden reflexartig die gleichen Worthülsen von 2001 bis 2003 hervorgeholt, werden Kosteneinsparungsprogramme vor allem zu Lasten der „Freak-Abteilungen“, den Redaktionen, angestrengt um damit gleichermaßen – bewusst oder unbewusst, das sei dahingestellt – Qualitätsmaßstäbe zu senken, „Synergien zu heben“ und als Folge davon potentiellen Werbekunden noch weniger Anreiz zur Buchung zu geben. Eine bizarre Logik!

Der Berliner Medienökonom Axel Zerdick gab auf die Frage der FAS vom 19. Juli 2003, welche Auswirkungen das Internet auf die Zeitungen (Zeitschriften) haben würde, die Antwort, dass viele eingehen werden – und dass dies auch nicht schlimm sei!
Behutsamer, aber nicht weniger deutlich, formulierte es Douglas C. Adams (bekannt durch die Reihe „Per Anhalter durch die Galaxis“) in der ersten Ausgabe von Wired, 1995 für die gesamte Medienbranche: Wie solle man den Strömen Nil, Kongo, Amazonas und Missisippi erklären, was auf sie zukommt, wenn sie in den Ozean münden? Nur so viel, als dass Flussgesetze an Bedeutung verlieren.

Diese Parabel erscheint symptomatisch für viele Verlage, die durch fehlorientiertes Management noch heute auf eine Vermarktung bauen, die mit Preislisten im Stil der 1980er Jahre operiert.

Die Bereitschaft und das Vermögen, in Zeiten des Medienwandels Werbekunden (individuell) kombinierte Produkte in all ihrer Komplexität anzubieten und erklären zu können, stellt das größte Problem dar. Dabei ist insgesamt in deutschen Medienhäusern eine große Trägheit spürbar, sich auf eine Ordnung nach den klassischen Massenmedien einzulassen.

Das publizistische Angebot der Massenmedien ist dieser Herausforderung engagiert gegenübergetreten und zählt heute in Deutschland zu den in der Summe stark nachgefragten Informationsangeboten – trotz eigener personell-struktureller Probleme in der Vermittlung der Bedeutung crossmedialen Publizierens oder Anpassung von Druckinhalten auf Online-Inhalte.

Die Werbevermarktung ist heute dagegen in weiten Bereichen überholt und rückständig – durch den Grad der Professionalität ihrer Akteure. Ob dies nun aus Dummheit oder Arroganz geschah und geschieht, spielt genauso wenig eine Rolle wie vielleicht aus Mitleid oder Commitments (Zerdick, 2003) erfolgte Buchungen. Nachhaltigkeit definiert sich anders. Squeeze-Out scheint die Devise.

Also ergibt diese Analyse das ernüchternde Ergebnis, dass es in sechs Jahren Netzpraxis offenbar noch nicht einmal dazu gereicht haben scheint, mehrheitlich die Online-Auftritte auch in der Werbevermarktung adäquat ankommen zu lassen. Wie soll es erst gelingen, sich erfolgreich social communities zu widmen, die sich durch noch einmal gänzlich unterschiedliche Gesetzmäßigkeiten auszeichnen?

Teil 3: Selbstverständnis der Telekommunikationsbranche als Lösungsansatz

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