#Bürgerjournalismus

Die falsche Frage

von , 18.3.10

Sitzen vier Bürgerjournalisten und ein Zeitungsmacher auf einem Podium und sprechen über’s Internet: Was wie ein lauer Witz klingt, war bei dem vom International Institute for Journalism (IIJ) und der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) veranstalteten Kongress zu Bürgerjournalismus heute durchaus Wirklichkeit. Nicht viel besser war leider auch die erste Pointe, die Werner D’Inka, seines Zeichens Herausgeber der FAZ, gleich zu Beginn der Diskussion einbrachte: Das mit dem Bürgerjournalismus, das sei ja alles schön und gut, teilte D’Inka mit. Aber ob sich das zahlreich versammelte Publikum denn noch wohl fühlen würde, wäre das Glasdach des Atriums der Hauptstadtrepräsentanz der FAZ, unter dem man sicher versammelt hatte, von einem Bürgerarchitekten entworfen worden? Im Saal hob Gemurmel an.

Bildschirmfoto 2010-03-18 um 18.14.57Überboten aber wurde D’Inkas witzig gemeinte und leider doch nur selbstgerechte Spitze nur von den genervten (dit0) und ebenfalls überheblichen Kommentaren an der Twitterwall eben jenes Atriums.

Nun ist Werner D’Inka natürlich ein gewitzter Diskutant, der weiß, dass ein solches Podium einen Gegenstand der Auseinandersetzung braucht, wenn man sich nicht schon nach fünf Minuten Diskussion auf die üblichen Plattitüden („Bürgerjournalismus ist gut, hat aber Schwächen – klassischer Journalismus aber auch“) einigen will. Dass D’Inka darüber hinaus durchaus recht mit seiner launigen Anmerkung hatte, das gehörte an diesem Tag zu den stilleren Pointen. Und vermutlich hatte D’Inka zudem auch noch auf eine Art recht, die ihm selbst nicht wirklich geläufig war, aber dazu später. Denn zunächst ging all dieser Gedankengang in der zwangsläufigen Konfrontation selbstverständlich ebenso unter wie der Blick auf das große Ganze.

Während nämlich die Bürgerjournalisten auf dem Podium von vielen begrüßenswerten Einzelfällen zu berichten wussten und Kritisches zu PR von NGOs im Gewand von Bürgerjournalismus sagten, sang D’Inka vor allen Dingen das Hohe Lied des Qualitätsjournalismus. Wie das bei solchen Veranstaltungen so ist, sagten also alle in ungefähr das, wofür sie eingeladen worden waren. Und aller interessanten Einzelmeinungen zum Trotz war der generelle Erkenntnisgewinn nicht überwältigend.

Bildschirmfoto 2010-03-18 um 18.18.32Dabei war die Diskussion nur wenige Schritte von einer echten Einsicht entfernt und zwar ausgerechnet in den Momenten, in denen vor allem die anwesenden Bürgerjournalisten brav verkündeten, der Gewinn des Bürgerjournalismus läge vor allem in seiner ergänzenden Rolle zum klassischen Journalismus, weil Bürgerjournalismus eben näher am Menschen, dezentraler und oft schneller sei, als es ein professionelles Medium mit allerdings begrenztem Personal sein könnte.

Auf die Idee aber, öffentliche Kommunikation nicht in diese beiden Schubladen – „Bürgerjournalismus“ hier und „Qualitätsjournalismus“ da – zu packen sondern als unterschiedliche Enden eines Kontinuums zu begreifen, auf die Idee kam leider keiner.

Man muss kein regelmäßiger Leser des Bildblog sein, um einzusehen, dass bei schwindenden Budgets und hohem Zeitdruck auch klassischer Journalismus oft ein Problem mit der Richtigkeit von Fakten hat oder gar zum leichten Spielball von Lobbyismus und PR wird. Man kann, wenn man will, auch in der taz regelmäßig Beispiele finden, bei denen Hajo Friedrichs goldene Regel, dass sich ein guter Journalist nicht mit einer Sache gemein mache – auch nicht mit einer guten Sache – verletzet wird. Und kann man ganz generell vielleicht anerkennen, dass es weniger um die Labels geht als die Etikette, den Anspruch, die Haltung und die Qualität.

Der Unterschied, der nämlich gerade auf einem Podium wie diesem tatsächlich diskutiert werden sollte, das ist der Unterschied zwischen gutem und schlechtem Journalismus, sauberer Arbeit und Texten mit einem „G’schmäckle“, zwischen glaubwürdigen, objektiven Quellen und einseitiger, eigeninteressierter Einflussnahme.

Diese Konfliktlinien allerdings sind weniger offensichtlich, sie zementieren sich nicht anhand von Medien, Weltregionen oder Budgets, sondern ziehen sich quer durch die – auch deutsche – Presse und betreffen die „Bild“-Zeitung ebenso wie viele der von örtlichen Granden oder von Werbekunden abhängigen Regionalblätter. Guter Journalismus, könnte man sagen, zeichnet sich allein durch seine Qualität aus und ist eben nicht allein an seinem Absender oder seinem Auftreten zu erkennen.

Dass die journalistischen Grundregeln nicht für jede Veröffentlichung gelten müssen, dass es gerade der Charme des Bürgerjournalismus ist, dass man nicht wie D’Inka erst einmal sechs Jahr Journalismus studieren muss, um einen geraden, wahren und wichtigen Satz aufschreiben zu können, das ist gerade unter politisch aber auch infrastrukturell schwierigen Umständen der große Bonus der von Bürgern produzierten Meldungen. Damit aber solche Veröffentlichungen tatsächlich die Bezeichnung „Journalismus“ verdienen, müssen sie eben durchaus journalistischen Ansprüchen gerecht werden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger hätte die Erkenntnis des Tages sein können.

Bildschirmfoto 2010-03-18 um 18.25.30Eine der schlauesten Anmerkungen zu D’Inkas Verweis auf den „Bürgerarchitekten“ fand sich ausgerechnet an der Twitterwall: Ob denn nicht die Mehrheit der Gebäude weltweit von Amateuren gebaut worden sei, fragte eine Stimme aus dem Publikum dort. Und eben das ist der Punkt daran: Aus Lehm und Stein und Holz eine Hütte zu bauen, wo sonst nichts ist, ist richtig und gut – und dafür braucht man kein Architekturstudium.

Wenn’s aber der Kölner Dom sein soll, dann sind mehr Vorwissen und Übung, mehr „Checks“ und „Balances“ nicht nur begrüßenswert, sondern geradezu unerlässlich. Im Zweifelsfall ist aber eine Hütte besser als gar kein Dach über dem Kopf. Und Bürgerjournalismus ist besser als gar keine öffentliche Auseinandersetzung. Noch so eine Erkenntnis dieses Tages.

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