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Google Buzz: Die beste aller Welten, nur ohne Social Graph

von , 10.2.10

Im Googleplex, dem Hauptquartier von Google in Mountain View (Kalifornien) muss es eine große Schmach sein: So erfolgreich das Unternehmen auf vielen Gebieten ist, so bescheiden waren bislang die Ergebnisse, wenn es um das Social Networking geht. Das ist schlecht, nicht zuletzt weil dem Echtzeit-Internet (Real-Time Web) eine immer größere Bedeutung zugesprochen wird.

Google dagegen ist im Wesentlichen noch immer eine Suchmaschine und damit stark auf Dokumente bzw. Webseiten fixiert. Im Social Web jedoch stehen Beziehungen im Mittelpunkt (der Social Graph) sowie persönliche Mitteilungen und das “Sharing”, also das Teilen und Mitteilen von Artikeln, Fotos, Videos und anderem Content.

googlebuzz

Google Buzz (Ill.: Carta)

Hinzu kommt in jüngster Zeit das mobile Internet, das dem Social Networking zusätzliche Möglichkeiten verleiht, indem man etwa seinen aktuellen Aufenthaltsort kund gibt oder gezielt nach umgebungsrelevanten Inhalten seines Social Graph sucht.

Es ist keine Frage, dass Google hier aufholen muss. Die Frage lautet eher, ob das mit dem jetzt vorgestellten Google Buzz gelingen wird. Im Wesentlichen kann man sich darunter einen Verschnitt von Elementen aus Facebook, FriendFeed und Twitter vorstellen. Angereichert wird das Ganze durch Funktionen, wie sie auch schon in Google Wave implementiert sind, ergänzt um eine sehr beeindruckende Einbettung in die Suchfunktion und in Google Maps auf mobilen Geräten.

Die Informatiker und Ingenieure bei Google haben ganze Arbeit geleistet und dabei vermutlich doch einen entscheidenden Fehler gemacht: Google Buzz ist als integraler Bestandteil von Google Mail, dem E-Mail-Client von Google, ausgelegt. Wer ihn nutzt, hat damit automatisch auch Zugang zu Buzz, während alle anderen nun vor der Frage stehen, ob sie sich deswegen bei Google Mail registrieren wollen.

Das Problem für Google dürfte sein, dass Google Mail für kaum jemanden den Social Graph hinreichend abbildet. Sehr viele Menschen haben ihr digitales Freundesnetzwerk längst auf einem der vielen Social Networks geknüpft und nutzen ihren E-Mail-Client nur noch als eine Art Arbeitsinstrument.

Was das Sharing von Nachrichten aller Art betrifft, hat sich Twitter als Standard etabliert. Auch wenn Google mit Buzz ziemlich genau die Wünsche von Dave Winer an einen “Twitter-Killer” getroffen hat und damit Manches besser kann, als es Twitter heute leistet, ist es doch kein Ersatz dafür. Denn Twitter hat ein einzigartiges und sehr einfaches System für das Folgen (“Following”) etabliert, das es einem leicht macht, Accounts zu folgen, deren Inhabern man niemals im persönlichen Adressbuch gelistet haben wollte. Bei aller Vernetzung und der Nützlichkeit von Querverbindungen ist es bisweilen eben doch gut, wenn bestimmte Sphären getrennt bleiben.

So gesehen ist es schade, dass Buzz mit einem Element aufwarten kann, dass viele sowohl auf Facebook als auch auf Twitter schmerzlich vermissen werden. “Just the good stuff” nennen sie bei Google die Funktion, mit der Spam und andere unwichtige Meldungen aus der Timeline von Buzz herausgefiltert werden sollen. Funktioniert das in der Praxis auch nur annähernd so gut wie der Spamfilter von Google Mail, wäre das schon eine Leistung.

Aber deswegen wird aus Buzz noch kein ernsthafter Wettbewerber für Facebook oder Twitter. Eher schon sieht Microsofts Outlook jetzt richtig langweilig aus, wenn man es als Installation innerhalb größerer Unternehmen sieht. Hier könnte Google mehr und mehr Boden gut machen und Microsoft Marktanteile wegnehmen, sofern die (konservative) Unternehmenswelt schon dafür bereit ist, sich davon überzeugen zu lassen, dass ein moderner E-Mail-Client Elemente des Social Networking beinhalten muss.

Sieht man von der Frage nach den Erfolgsaussichten von Google Buzz einmal ab, zeigt dieser neue Dienst sehr gut, wie man sich bei Google heute das Internet als sozialen Raum vorstellt. Und genau das ist insbesondere für den Mediensektor interessant, der zuletzt darüber reflektierte, ob mit dem von Apple vorgestellten iPad die Zukunft der Medien in bezahlten Applikationen liegen könnte.

Bei Google sieht man das Internet ganz offensichtlich anders als bei Apple. Interessante Inhalte, die man mit Freunden teilen möchte, liegen hier offen im Netz, so dass sie in Form von Links leicht über Google Buzz weitergegeben werden können. Darüber hinaus wird in Buzz nicht nur der pure Link als Nachricht weitergegeben, das System ist sogar in der Lage, Ausschnitte bzw. Fotos herauszukopieren und um den Link herum zu gruppieren, so dass dieser attraktiver und aussagekräftiger erscheint. Für deutsche Verleger, die schon mit den Snippets bei Google News so ihre Probleme haben, dürfte das ein wahrer Albtraum sein.

Das Social Networking nach der Art von Google Buzz ist also vieles, nur kein Freund der Applikationen. Hier wünscht man sich die New York Times als Webseite, die möglichst viel von ihrem Content offen und frei zur Verfügung stellt, und nicht als Applikation, die auf einer speziellen Plattform liegt, die wiederum nur ganz bestimmten Geräten offen steht.

Dass hinter dieser Sicht auf das Internet nicht allein der pure Altruismus wohnt, ist auch klar: Google ist von Haus aus zunächst einmal eine Suchmaschine, die darauf setzt, dass ihr möglichst viel Content in Form von offen einsichtigen Webseiten zugänglich ist. Ein “Internet der Applikationen” wäre pures Gift für das Kerngeschäft von Google.

Google Buzz darf deshalb als eine Einladung an uns User gesehen werden, für ein möglichst freies und offenes Internet einzutreten und damit zugleich die Geschäfte von Google blühen zu lassen. Dumm nur, dass in Sachen Social Networking der Zug längst abgefahren ist. Das Momentum liegt hier eindeutig bei Facebook und solange die User nicht in Scharen Mark Zuckerberg davon laufen, dürfte Google Buzz wenig Aussicht auf Erfolg haben.

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