#Journalismus

Picard: Der größte Fehler des Journalismus…

von , 5.1.10

Der Medienökonom Robert G. Picard, der vor einen Jahr schon einmal erklärte “why journalists deserve low pay“, richtet erneut harsche Kritik an die Journalisten: An einem bestimmten Punkt sei die Profession der Journalisten “falsch abgebogen”. Dieser Fehler sei nun maßgeblich dafür verantwortlich, dass Journalisten über die Zukunft ihrer Branche kaum mitbestimmen könnten.

In der Frühphase der Kommerzialisierung des Journalismus sei es darum gegangen, so Picard, Journalismus durch professionelle Werte wie Genauigkeit, Fairness, Vollständigkeit oder Wahrheitstreue besser zu machen – und die schlimmsten Journalisten und Verleger aus dem Markt zu drängen.

Dann aber habe die Professionalisierung des Journalismus einen verhängnisvollen Weg genommen. Aus zwei Gründen:

First, professional journalists were taught and accepted the idea that they should worry about the journalism and leave the business to itself. Second, journalists, along with other employees, decided to seek improvement to their compensation and working conditions through unionization—thus becoming adversaries of management rather than partners in the management of news organizations.

Der Journalismus habe sich so letztlich von seinen Struktur- und Geschäftsbedingungen entfremdet. Das Ergebnis seien “professionelle Journalisten”, die sich mit allem Möglichen auskennen würden, nicht aber kompetent in der Frage seien, wie sich ihre Tätigkeit sinnvoll und tragfähig in die digitale Welt übertragen lasse. Bei den Umstrukturierungen ihrer Branche säßen die Journalisten nun zumeist auf den Zuschauerplätzen – genau deshalb, weil sie sich fast ein Jahrhundert nicht um die geschäftliche Seite ihrer Tätigkeit gekümmert hätten.

Viele Journalisten seien nun vorschnell damit zufrieden, wenn ihre Profession zukünftig vor allem von Non-Profit-Organisationen getragen werde. Doch das alles greife zu kurz und reiche nicht aus. Picard fordert die Journalistin und den Journalisten als aktiven Verbreitungs- und Geschäftsmodellplaner, also als Unternehmer/in:

Journalists need to be equally responsible in ensuring they produce news and information that has value. They need to be responsible for ensuring their new organizations create the revenues and organizational strength needed to carry out high quality journalism. They need to ensure that organizational decisions make the organizations and the journalism offered viable.

If journalists continue to deny responsibility for the operation and survival of their news enterprises, it will be impossible to create sustainable news organizations for the future.

Jedem sollte klar sein: Picard zeichnet hier als Provokation gemeinte Schablonen. Journalisten sind nicht durchgängig so ignorant gegenüber den Geschäftsprozessen ihrer Profession, wie er es hier schildert. Es gibt immer wieder auch Karrieren von Redakteur zum Chefredakteur zum Geschäftsführer. Interessanterweise wechselt die Geschäftsführerin/der Geschäftsführer dabei jedoch “die Seiten” – sie/er tritt quasi aus der Profession aus. Journalismus als Profession, und da ist Picard zuzustimmen, umschließt traditionell nur die Produktion von Journalismus – nicht aber das Wissen um seine Verbreitungsmechanismen.

Picard Robert

Ökonom Picard: Der Journalismus hat sich von seinen Grundlagen entfremdet.

Dabei hat sich der Journalismus mit gutem Grund von der kommerziellen Sphäre abgekanzelt. So wurde der Einfluss von Anzeigenkunden – und auch Lesern – begrenzt. Das Ergebnis war tatsächlich mehr Unabhängigkeit von allen Seiten – auch der geschäftlichen. In der Augen der Profession verbesserte diese Unabhängigkeit den Journalismus. Und das war auch gut so. Die Macht der journalistischen Oligopole würde so normativ überformt.

Nun aber haben sich die Herausforderungen an den Journalismus grundsätzlich verändert. Die Kernfrage lautet, wie er in der neuen medialen Umwelt inhaltlich und geschäftlich existieren kann. Es ist daher in der Tat äußerst bedauerlich, dass die Lösungskompetenz für solche Fragen nicht zum existenziellen Selbstverständnis der journalistischen Profession gehört. Und es ist richtig, dass Picard fordert, dass sie zukünftig dazu gehören sollte.

Journalismus wäre demnach nicht nur die Kompetenz, Journalismus zu produzieren, sondern auch jene, seine Verbreitungsmechanismen zu gestalten. Das klingt nach einer spannenden, aber sicher auch kontroversen Verbreiterung der Profession. Dass wir auf Carta einer solchen Definition nicht abgeneigt wären, versteht sich wohl von selbst.

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