#Breitband-Internet

Breitband-Internet: „Von den Aussies lernen…“

von , 15.12.09

Spätestens in zehn Jahren werden über 95 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland das Internet regelmäßig nutzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Münchner Kreises zur Zukunft der Informationsgesellschaft. Die in der Studie befragten Experten gehen davon aus, dass wir im Jahr 2020 mit einer durchschnittlichen Bandbreite von rund 40 MBit/s für den Up- und Download von Daten im Internet surfen werden. Für die mobile Nutzung des Internets werden 20 MBit/s prognostiziert. Angesichts der heutigen Durchschnittsbandbreiten von unter 1 MBit/s für stationäre Nutzung und deutlich unter 500KBit/s für mobile Nutzung stellt sich die Frage, ob die politischen und wirtschaftlichen Weichen für die Erreichung der erwarteten Szenarien richtig gestellt sind. Fraglich ist zudem, ob die vorausgeahnten Bandbreiten ausreichen werden.

Fest steht, dass in zehn Jahren die tatsächlich verfügbare Bandbreite eine wesentlich größere Rolle spielen wird als sie bereits heute in vielen Bereichen des privaten und wirtschaftlichen Lebens spielt. Von ihr wird abhängen, welche neuen Angebote und Dienste wir im Internet nutzen werden. Sie bestimmt, wie Bildung, Unterhaltung, Kaufverhalten und nicht zuletzt unser zivilgesellschaftliches Engagement aussehen werden. Mehr noch: die tatsächlich verfügbare Bandbreite wird über unsere Möglichkeiten zur Wertschöpfung und damit über die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft entscheiden. Auf den ersten Blick steht Deutschland nicht schlecht da. In ihrem jüngsten Report attestiert die EU der Bundesrepublik für 2008 mit 27% Breitbandpenetration ein überdurchschnittliches Niveau (EU-Durchschnitt 22,9%). Spitzenreiter sind Dänemark und Niederlande mit 37,3 % und 36,2%. Allerdings geht der Report davon aus, dass Deutschland immense Anstrengungen unternehmen muss, will es nicht hinter andere Wirtschaftsnationen zurückfallen.

Das im Februar dieses Jahres ausgerufene Ziel der alten Bundesregierung lautete, bis 2010 flächendeckend 1 MBit/s verfügbar zu machen. Bis 2014 sollten 75 Prozent der Haushalte mit 50 MBit/s angebunden sein. Hierfür wurden 150 Millionen Euro bereitgestellt. Doch so viel ist sicher: weder sind aus heutiger Sicht 1 MBit/s in der Fläche ausreichend, noch wird man mit den bisherigen Anstrengungen auch nur annähernd den gesteckten Zielen gerecht. Politik und Wirtschaft haben es in der Breitbandentwicklung mit einem „moving target“ zu tun – mit einem Ziel also, das sich ständig fortbewegt, und das weder Selbstzufriedenheit noch Stillstand erlaubt.

Im aktuellen Koalitionsvertrag (PDF) erklärt die Bundesregierung ihre Breitbandstrategie in drei Passagen. Erstens will man die Breitbandversorgung „sowohl in der Fläche als auch in der Leistungsfähigkeit“ steigern. Zweitens gehört eine flächendeckende Breitbandversorgung für die Bundesregierung „zur Daseinsvorsorge“. Und drittens sind „Wettbewerb, Regulierung und Kooperation (…) die maßgeblichen Säulen für eine zügige Umsetzung der Breitbandstrategie“. Als Maßnahmen werden ein Monitoring zum derzeitigen Umsetzungsstand der Breitbandstrategie, investitionsfreundliche Regulierungsinstrumente, die Nutzung von Synergien im Strukturaufbau, eine rasche Umsetzung des EURechtsrahmens, eine Verzahnung von Bund und Ländern, eine Prüfung planungsrechtlicher Instrumente sowie die zügige Versteigerung frei werdender Bandbreiten genannt.

Das klingt nach viel Planung und gutem Willen. Vergleicht man aber das Engagement der Politik in Deutschland mit dem anderer Industrienationen, so machen bereits die nackten Zahlen deutlich, dass andere Länder eine konsequente Breitbandstrategie für dringender erachten. Während in Deutschland mit Hilfe der aktuellen Programme derzeit knapp 2 Euro pro Kopf der Bevölkerung investiert werden, liegt der Betrag EU-weit bei etwa 3 Euro und in den USA bei umgerechnet 17 Euro. In Australien wird pro Einwohner eine Summe von rund 1.100 Euro bereitgestellt! Unter der Leitung eines eigens eingerichteten Breitbandministeriums investiert Australien umgerechnet 24 Milliarden Euro, um 90 Prozent des gesamten Landes – Großstadt sowie das entlegenste Dorf – bis 2016 mit mindestens 100 MBit/s zu versorgen. Die restlichen 10 Prozent erhalten bis 2016 mindestens 12 MBit/s. Bereits jetzt gilt die „Australian Broadband Guarantee“, die jedem Bürger auf Anfrage ein erschwingliches Breitbandangebot gewährt, das der durchschnittlich verfügbaren Kapazität in den Metropolen entspricht.

Dieser Zahlenvergleich unterstreicht, dass wir zur Erreichung unserer Breitbandziele dringend eine deutliche Aufstockung der finanziellen und organisatorischen Ressourcen vor allem für die bislang wenig oder unterversorgten Gebiete benötigen, die durch klassische privatwirtschaftliche Investitionen nicht erreicht werden können. Möglich ist eine solche Aufstockung aber nur dann, wenn wir den Zugang zu leistungsfähigem Breitband wie den Zugang zu Straßennetz, Wasser oder Elektrizität als eine öffentliche Aufgabe ansehen.

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