Rechtsfragen der Informationsgesellschaft – Datenschutznovelle, Wertersatz, versteckte Kameras

von , 7.9.09

Neues Datenschutzrecht in Kraft getreten
Am Dienstag ist die heftig diskutierte BDSG-Novelle II vom 10. Juli 2009 in Kraft getreten. Sie ist mit einer Änderung von 18 Paragraphen die umfangreichste und damit das Kernstück von drei Datenschutzrechtsnovellen in diesem Jahr. Neben einer Neuregelung zum Arbeitnehmerdatenschutz wurden das „Opt-In-Prinzip” bei personalisierter Werbung und erweiterte Anforderungen an die Auftragsdatenverarbeitung eingeführt. Ziel dieser Novelle ist es auch, die Rechtsstellung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu stärken. Daher ist er künftig von einer Kündigung gesetzlich geschützt.

Wertersatzregelung im deutschen Fernabsatzrecht unwirksam
Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt, dass die Wertersatzregelung im deutschen Fernabsatzrecht unzulässig ist, weil sie gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. In dem Verfahren ging es um die Rückabwicklung eines Fernabsatzvertrages. Die zentrale Frage dabei: Darf der Verkäufer bei Rücknahme der Sache vom Käufer Wertersatz verlangen, weil der Käufer die Sache eine Weile nutzen konnte? Das Gericht betonte: „Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7 sind die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren”. Allein bei einer ungerechtfertigten Bereicherung oder einem Handeln wider Treu und Glauben des Verbrauchers, könne anderes gelten – sofern die Zielsetzung dieser Richtlinie und insbesondere die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf nicht beeinträchtigt werden.

Bundesgerichtshof: Gedichttitelliste III
Der Bundesgerichtshof hat Mitte August den Fall „Gedichttitelliste” zum Abschluss gebracht. In der dritten Entscheidung zu dem Streit um eine Gedichtedatenbank setzte der BGH nun die Antworten des Europäischen Gerichtshof um, die dieser auf einen Vorlagebeschluss hin gegeben hatte. Danach kann ein Eingriff in das Leistungsschutzrecht eines Datenbankherstellers auch dann vorliegen, wenn gar keine „physische Kopie” von Daten stattgefunden hat. Um eine Rechtsverletzung anzunehmen reiche es aus, wenn sich der Verletzer an der Datenbank orientiert habe – auch wenn er die vom Datenbankhersteller „getroffene Auswahl kritisch überprüft und einige der dort aufgeführten Gedichte weggelassen sowie einige wenige hinzugefügt hat”, so das Gericht.

Rechtsschutz bei Frequenzvergabe
Das Bundesverwaltungsgericht hat wesentliche Modalitäten des Rechtsschutzes bei der Vergabe von Funkfrequenzen geklärt. In dem zu entscheidenden Rechtsstreit ging es um die Zuteilung freigewordener Frequenzen. Die Bundesnetzagentur hatte die Vergabe dieser Frequenzen im Wege eines Versteigerungsverfahrens angeordnet und hierfür bestimmte Vergabebedingungen festgelegt. Die Versteigerung selbst und die abschließende Zuteilung der Frequenzen stehen noch aus. Gegen die schon ergangenen Zwischenentscheidungen der Bundesnetzagentur klagte ein Unternehmen, das bislang einen Teil der betroffenen Frequenzen nutzt und die Verlängerung seiner mittlerweile abgelaufenen Frequenznutzungsrechte anstrebt. Anders als die Vorinstanz befand das Bundesverwaltungsgericht, dass schon die Zwischenentscheidungen hinsichtlich Vergabeverfahren und Vergabebedingungen der Bundesnetzagentur angegriffen werden können – vorausgesetzt der Kläger kann geltend machen, durch die Festlegungen in seinem Recht auf diskriminierungsfreien Frequenzzugang verletzt zu sein.

Keine Geldentschädigung wegen Bezeichnung als Nazi
Das Oberlandesgericht Thüringen hat entschieden: Wer sich zu den Sympathisanten der rechten Szene zählt, hat kein Recht auf Geldentschädigung, wenn er als „Nazi” bezeichnet wird. Geklagt hatte der Betreiber einer Sicherheitsfirma, weil er in einer Diskussionsrunde im Offenen Kanal Gera als „Nazi” bezeichnet wurde. Das Gericht lehnte eine Verleumdung und Rufschädigung des Klägers ab, da die Bezeichnung „Nazi” als subjektives Urteil von der Meinungsfreiheit des Beklagten gedeckt sei: Der Begriff Nazi könne schließlich „von einer streng historischen Terminologie bis zum substanzlosen Schimpfwort reichen”. Im vorliegenden Fall sei das Wort „Nazi” bloß als „schlagwortartige Verkürzung” eingesetzt worden, da sich der Kläger tatsächlich in der rechten Szene bewege.

Abofallen: Geltendmachung vermeintlich unberechtigter Forderungen zulässig
Das Landgericht Düsseldorf hat in einem Rechtsstreit zwischen der Berliner Verbraucherzentrale und dem als Abofallenbetreiber bekannten Unternehmen Connects 2 Content Letzterem Recht gegeben. Das Unternehmen hatte zunächst kostenlosen Zugang zu bestimmten Webseiten gewährt – um nach einiger Zeit per E-Mail eine neue AGB einzuführen, worin der Service als ab sofort kostenpflichtig angekündigt wurde. In der Folgezeit wurden massenhaft Rechnungen an die Nutzer geschickt. Die Verbraucherzentrale Berlin klagte und verlangte Unterlassung dieser Geschäftspraxis. Das Gericht befand jedoch, dass auch die Geltendmachung vermeintlich unberechtigter Forderungen nicht unlauter und damit nicht wettbewerbswidrig sei. Die Verbraucherzentrale spricht von einem Fehlurteil und will Berufung einlegen.

Keine versteckte Kamera in Arztpraxis
In einem anderen Rechtsstreit entschied das Düsseldorfer Landgericht: Die Pressefreiheit muss hinter dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines Arztes zurücktreten, wenn ein Fernsehsender (hier RTL) in der Arztpraxis heimlich filmt und die Aufnahmen im Fernsehen ausstrahlt. Für eine Sendung über Psychopharmaka ließ sich eine Reporterin von dem Arzt Beruhigungsmittel verschreiben und filmte heimlich das Beratungsgespräch. Trotz Anonymisierung des Arztes wurde er im Fernsehen von einem Patienten erkannt. Der Arzt wusste von der Ausstrahlung nichts. Das Gericht betrachtet die Rechte des Arztes als gewichtiger – auch deshalb, weil die Aussage des Filmausschnitts auch auf andere Weise hätte erreicht werden können, beispielsweise durch ein Interview mit der Reporterin.

Gebührenentscheidung über „letzte Meile” aufgehoben
Das Verwaltungsgericht Köln hat eine Entscheidung der Bundesnetzagentur aus dem Jahr 2001 aufgehoben, in der die Entgelte für die sog. Teilnehmeranschlussleitung (TAL) festgesetzt wurden. Die Telekom stellt fast überall das letzte Stück Leitung bei der Telekommunikations-Übertragung zur Verfügung. Wollen Konkurrenten die TAL nutzen, so müssen sie der Telekom Nutzungsgebühren entrichten. Allerdings wurde die Höhe der Gebühren von der Bundesnetzagentur falsch berechnet, wie das Kölner Gericht entschied. Man müsse sich mehr an den tatsächlichen, bei der Telekom anfallenden Kosten orientieren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Bundesregierung erhebt Einspruch im Streit um Google Buchsuche
Die Bundesregierung hat einen sog. Amicus-Curiae-Schriftsatz im Rechtsstreit um die Google Buchsuche beim zuständigen New Yorker Gericht eingereicht. Dabei geht es um einen Vergleich, den Google mit amerikanischen Autoren- und Verlegerverbänden geschlossen hat. Letztere hatten gegen Google wegen des Aufbaus einer Datenbank geklagt, worin Bücher (auch von deutschen Autoren) aus US-amerikanischen Bibliotheken online zur Verfügung gestellt wurden – ohne Zustimmung der Rechtsinhaber. Bundesjustizministerin Zypries zum Einspruch aus Deutschland: „Der Bundesregierung geht es vor allem darum, das Gericht über die transatlantischen Auswirkungen des Vergleichs zu informieren. Es ist keineswegs so, dass der Vergleich nur Auswirkungen in den USA hätte. Auch deutsche Rechtsinhaber und Anbieter von vergleichbaren Online-Diensten sind betroffen”. Über die Rechtmäßigkeit des Vergleichs entscheidet das Gericht am 7. Oktober.

Youtube zeigt wieder Musikvideos
Nach einem halben Jahr musikalischer Funkstille, gibt es auf der englischen Youtube-Seite wieder Musikvideos zu sehen. Die Musikvideos wurden gesperrt, weil die damaligen Gebührenforderungen der Musikindustrie für Youtube ein Verlustgeschäft bedeutet hätten. Nun aber hat sich Youtube-Besitzer Google mit der englischen Verwertungsgesellschaft PRS for Music auf eine neue Lizenzvereinbarung geeinigt: Bis zum 30. Juni 2012 soll ein Pauschalbetrag die Lizenzgebühren für Musik auf Youtube abdecken. Die Höhe dieses Betrages ist nicht öffentlich. Eine Einigung in Deutschland scheint noch nicht absehbar.

In Zusammenarbeit mit Telemedicus präsentiert Carta jeden Montag zentrale Entwicklungen des Medien- und Informationsrechts. Carta übernimmt den Wochenrückblick mit freundlicher Genehmigung der Autoren. Dieser Wochenrückblick wurde zusammengesteltt von Anja Assion.

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