#Citoyen

Au revoir citoyen: Der Siegeszug des Wahlkonsumenten.

von , 27.8.09

Am 27. September ist Bundestagswahl – so what? Diesen Eindruck muss zumindest derjenige Beobachter haben, der dieser Sommertage mit offenen Augen durch die Republik läuft. Denn außer in den Parteihäusern und einigen Redaktionsräumen scheint sich niemand wirklich für den anstehenden Urnengang zu interessieren. Nun könnte man in den allgegenwärtigen Chor jener einfallen, die das allgemeine politische Desinteresse auf die fortschreitende Entfremdung der Parteien vom Volke zurückführen, die Banketts für Spitzenmanager ausrichten, anstatt sich um die Belange ihrer Bürger zu kümmern.

Doch es muss einmal die Frage erlaubt sein: Welcher Bürger? Denn der Citoyen, der aktiv und eigenverantwortlich am politischen Geschehen teilnimmt, scheint mittlerweile weitestgehend abgelöst von einer neuen Spezies: dem Konsumenten. Dieser will bedient werden – schließlich bezahlt er ja Steuern –, ohne dabei irgendwelchen eigenen Aufwand in Kauf nehmen zu müssen. Damit fügt sich der (immer öfter: Nicht-)Wähler perfekt in die bundesdeutsche Medienrepublik ein, in der nach Gunter Hofmann alles erlaubt ist – mit Ausnahme des Mitmachens.

Der Wähler folgt brav und stellt die politische Partizipation – ob nun im Ortsverein, Stadtparlament oder einer Bürgerinitiative – bisweilen teilweise, weitaus öfter sogar gänzlich ein. Stattdessen konsumiert er auf der heimischen Couch die sorgsam entworfenen Kampagnen und Statements, die ihm einzelne Politiker – ganz im Stile der Werbung – schlagwortartig verpackt und in leicht verdaulichen Häppchen verabreichen. Wenn es ihm dann zuviel wird, schaltet er einfach um. Auf dieselbe Art und Weise votiert er sich im vierjährlichen Abstand durch die Parteienlandschaft, je nachdem welches politische Sonderangebot seinem Eigeninteresse gerade am dienlichsten zu sein scheint. Und wenn sich das vermeintliche Schnäppchen als elektoraler Fehleinkauf erweist, brandmarkt der Wähler reflexartig das Fehlverhalten der Elite.

Gleichgültig ob nun die Medien die Politik kolonisiert haben oder umgekehrt: Dem Bürger a.D. blieb und bleibt auch weiterhin stets die Wahl, diesen Prozess tatenlos hinzunehmen oder ihm entgegenzusteuern. Er hat sich bislang für die erste Option entschlossen, womit sich der Kreis zwischen Politikverdrossenheit und Ackermann-Sause schließt. Das amerikanische Beispiel bietet Hoffnung, wie dieser Ring – gerade durch digitale grassroots-Bewegungen – durchbrochen werden kann. Doch dazu bedarf es des Engagements statt der Konsumenten-Mentalität. Denn in den Worten des legendären amerikanischen Kulturkritikers George Carlin: „If you have selfish, ignorant citizens, you’re going to get selfish, ignorant leaders.”

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