#Bundestagswahl

Gensemer: Es geht um die Aussicht, dass Wahlen auch etwas verändern

von , 3.7.09

Heute tagte der Bundestag in Berlin regulär das letzte Mal vor der Wahl – und eine äußerst merkwürdige Stimmung beginnt das Regierungsviertel zu umwehen: Die politische Spannung scheint abrupt in den märkischen Sommer zu entweichen. Zurück bleibt eine dumpfe Stille, eine Lethargie des vertagten Handlungsdrucks.

Superwahljahr? 50 Milliarden Euro Staatsverschuldung in diesem Jahr? Die schlimmste Rezession seit dem zweiten Weltkrieg? Im Areal zwischen Bundestag und Kanzleramt ist davon wenig zu spüren. Der politische Betrieb flüchtet sich erleichtert in eine kurze Sommerpause der Negation und der Beschwichtigung.

asdfasdfasdf

Limousinen vor dem Reichstag: Zurück bleibt eine Lethargie des Handlungsdrucks

Dabei steht diese plötzlich einkehrende Stille für eine Krise, die sich von einer wirtschaftlichen zu einer Krise der politischen Eliten auswächst: Es fehlt an überzeugenden Interpretationen der  Misere, es fehlt an mitreißenden Zukunftsentwürfen, es fehlt an einer politischen Sprache.

Es fehlt vor allem an: Gestaltungswillen.

Die Gestaltungskrise geht vor allem von den beiden großen Parteien aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel versuche, alle Wahlkampfversuche der anderen zu verhindern, bilanzierte die ZEIT gestern. Die SPD habe sich von ihrem Europawahl-Schock noch immer nicht erholt. Derzeit dominiere Merkels Strategie, die kommenden Härten vor dem Souverän zu verschleiern.

text1

ARD Deutschlandtrend Juli 09: Sagt diese Partei ehrlich, was sie will? (Angaben in Prozent)

Die Wähler sind nicht begeistert. Weder CDU noch SPD konnten bislang mehr als 15.000 Unterstützer für ihre Online-Wahlkampfplattformen gewinnen.

Das Kernproblem dabei ist, dass die Wähler nicht das Gefühl haben, dass man ehrlich mit ihnen ist. Nach dem neuen ARD-Deutschlandtrend glauben nur 22 Prozent der Wähler, dass die CDU ihnen ehrlich sagt, was sie will. Die SPD liegt bei 20 Prozent, die CSU bei 18 Prozent.

Die Wähler sehen sich mit einem Kartell der verkrusteten Machteliten konfrontiert, das penibel darauf bedacht ist, nicht zu verstören und nicht zu überfordern. Die Wähler misstrauen den politischen Parteien derzeit augenscheinlichst zutiefst. Ohne Ehrlichkeit aber kann schwerlich ein politischer Dialog über Zukunt und Ziele geführt werden.

An dieser Stelle lohnt es sich tatsächlich, die überstrapazierte Obama-Analogie erneut hervorzuziehen. Die Kollegen von politik-digital.de haben letzte Woche noch einmal mit Thomas Gensemer, einem Managing Partner bei Obamas Agentur Blue State Digital gesprochen. Er sagte (siehe Video):

When you ask people to do something in ways that are culturally relevant to them and it makes a difference – they do it.

Genau daran scheint es in diesem Vorwahlkampf zu fehlen: An der Zuversicht der Wähler, dass sie mit ihrer Stimme wirklich etwas verändern könnten. Genau darauf käme es aber an. Und das erklärt dann auch den Reiz und das Protestwählerpotenzial der Piratenpartei.

Hier das Video mit Thomas Gensemer:

Experten in den Wahlkampfzentralen versichern uns, dass auch der 2005er Wahlkampf in seiner Hochphase nur wenige Wochen gedauert habe. Die aktuelle Ruhe vor dem Wahlkampf sei ganz normal, versichern sie. Wir sind da eher skeptisch und sind gespannt auf die Zeit bis zum 27. September, die wir aktiv begleiten werden. Dazu gerne Anregungen im Forum. Heute Abend stellen Frank-Walter Steinmeier und Klaus Wowereit das Metropolen-Konzept der SPD im Radialsystem vor – eigentlich ein sehr guter Termin, um sich mit der Beziehung von SPD und urbaner Dienstleistungsgesellschaft zu beschäftigen, nur leider schafft es von uns heute keiner dahin. Berichte auch dazu im Forum gern.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.