#Google Wave

Ich hab Dir eine Welle geschickt: Google’s Wave will die E-Mail der Zukunft sein

von , 2.6.09


Geschickt arrangiert hat Google das schon: Praktisch zeitgleich als Steve Ballmer Microsofts neue Suchmaschine Bing präsentierte, zog man auf der eigenen Developer Konferenz I/O auch ein Kanichnen aus dem Hut und konnte so einiges an medialer Aufmerksamkeit von Microsoft weg und hin zu sich lenken.

Der Trick gelang mit einem Produkt namens Wave, das nichts Geringeres als der Nachfolger der guten alten E-Mail werden soll. Das Beeindruckende an Wave ist, dass hier eine ganze Reihe elektronischer Dialogmedien, für die man bislang getrennte Produkte nutzt, ineinander verschmolzen werden und so eine deutlich flüssigere Form der Kommunikation erlauben. Ob damit aber wirklich E-Mails vollständig abgelöst werden, darf bezweifelt werden: Viele Menschen werden die Vielfalt der Möglichkeiten von Wave gar nicht brauchen und eher verwirrend finden.

Für Teams, Projektgruppen und Unternehmen aber könnte Wave ein Instrument sein, das die Produktivität erheblich steigert. Aber auch hier muss ein Einwand angebracht werden: Die Konkurrenz nämlich wird sagen, dass sie das alles auch kann. Microsoft etwa bietet mit Unified Communications ein Produkt an, dessen Zielsetzung ähnlich ausgerichtet ist.

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Wave ist auch grundsätzlich eine Antwort auf die Frage, wie Menschen in naher Zukunft zusammen arbeiten werden.

Das alles mag für ein Blog wie Carta reichlich technisch und eher deplaziert wirken, gäbe es da nicht auch eine Kulturkomponente. Denn Wave ist auch eine grundsätzliche Antwort auf die Frage, wie Menschen in naher Zukunft zusammen arbeiten werden. Diese Antwort aber, die da von Google kommt (und von den Wettbewerbern nicht sehr viel anders gesehen wird), dürfte hierzulande weithin allenfalls mit Befremden aufgenommen werden.

Unsere Leistungselite nämlich ist auf ein solches Produkt schlicht nicht vorbereitet. Die nahtlose Integration von E-Mail und Chat, Wiki-Funktionalitäten und offenen Schnittstellen (API’s) sind alles Dinge, die dieser “Generation Papier” noch überwiegend fremd sind. Gleichzeitig aber entscheiden genau diese Personen darüber, ob so etwas in ihren Organisationen eingeführt wird oder nicht.

Hier tut sich ein Graben auf, der immer größer zu werden scheint. Thomas Knüwer durfte dies ansatzweise erfahren, als er in seinem Blog (Indiskretion Ehrensache) über die Einsatzmöglichkeiten von Wave im Journalismus reflektierte und in den Kommentaren gleich wieder zurückgepfiffen wurde: Viele bleiben eben lieber beim Althergebrachten stehen und sehen gar keine Notwendigkeit, sich zu fragen, ob eine Software wie Wave eine Redaktion produktiver und schneller machen könnte. Robin Meyer-Lucht hat dieses Phänomen treffend als Modernisierungsversagen bezeichnet.

Dieses Modernisierungsversagen trifft nun mit der Ankündigung von Wave auf die Tatsache, dass das Internet eben nicht nur ein Medienkanal ist, sondern praktisch die Arbeitsplattform der Zukunft sein wird. In der Theorie ist das schon länger bekannt. Nun aber zeigt sich immer klarer, wie es konkret aussehen wird.

In einem Land wie Deutschland, in dem Wissensarbeit und Innovationen das Fundament für den heutigen und künftigen Wohlstand sind, sollte man diese Entwicklung generell und nicht zuletzt in den Medien deutlich positiver begleiten und aktiv fördern. Denn sonst fallen wir im globalen Wettbewerb zu weit zurück.

Bei Google kann man derweil der Zukunft gelassen entgegen sehen. Mit Wave hat man weiten Teilen der Internetbranche einen ziemlichen Schrecken eingejagt und sich selbst einen Traum erfüllt. Denn Wave dürfte das sein, was sich viele Mitarbeiter für ihre Arbeit bei Google schon lange gewünscht haben: Eine integrative Plattform, mit der man besser kommunizieren und einfacher zusammen arbeiten kann.

Für das also, was bei Google heute schon (intern) Realität ist, muss in Deutschland noch sehr viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, bis die Einsicht in die Realitäten dazu führt, dass man so ein Produkt auf breiter Ebene als wünschenswert einstuft, anstatt seine Potenziale zu verkennen und ignorieren.

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